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IX. Religion
Druckfassung

Überblick   |   I. Aufbau des NS-Regimes   |   II. Der NS-Staat   |   III. SS und Polizei   |   IV. Der organisierte Widerstand   |   V. Rassenpolitik   |   VI. Militär, Außenpolitik und Krieg   |   VII. Arbeit und Wirtschaft   |   VIII. Geschlechterrollen, Familie und Generationen   |   IX. Religion   |   X. Literatur, Kunst und Musik   |   XI. Propaganda und die Öffentlichkeit   |   XII. Region, Stadt und Land   |   XIII. Wissenschaft

1937 waren Papst Pius XI. (1857-1939) die Verstöße gegen das Konkordat und die antireligiöse NS-Propaganda zu viel geworden. In einer päpstlichen Enzyklika mit dem Titel „Mit brennender Sorge“ sprach er eine gänzliche Verurteilung des Regimes aus. Die Kritik des Papstes war der Regierung unangenehm, daher versuchte sie, die Verbreitung der Enzyklika innerhalb Deutschlands zu verhindern. Sie übte außerdem an der katholischen Kirche in Deutschland Vergeltung, indem sie unter verschiedenen Vorwänden Priester verhaften ließ. Pius XI. starb Anfang des Jahres 1939, ohne die Schwierigkeiten des Vatikans mit dem Nazismus gelöst zu haben.

Sein Nachfolger, Papst Pius XII. (1876-1958) war ein langjähriger Mitarbeiter des Vatikans, der bereits eine lange Vorgeschichte im Umgang mit Deutschland hatte, da er von 1917 bis 1929 dort lebte. Während des Krieges überließ Papst Pius XII. weitgehend den deutschen Bischöfen die Entscheidung, wie sie auf das mörderische Vorgehen des NS-Regimes reagieren wollten; die meisten vermieden direkte Konfrontationen (37). Im August 1941 nutzte ein katholischer Bischof, Clemens August von Galen aus Münster, seine Predigten, um sowohl allgemeine Kritik am NS-Regime als auch seine speziellen Bedenken gegen dessen „Euthanasie“-Politik zu äußern. Seine Äußerungen lösten wütende, aber politisch gemäßigte Reaktionen bei Nazi-Funktionären aus, die auch weiterhin Hitlers Bemühungen, die Moral während des Krieges aufrechtzuerhalten, spiegelten.

In spätabendlichen Gesprächen brachte Hitler häufig seine Abneigung gegen das Christentum zum Ausdruck,sah jedoch wenig Notwendigkeit oder Gelegenheit, es sofort zu zerschlagen. Heinrich Himmler äußerte in einer Rede vor SS-Führern am 9. Juni 1942 allerdings ein dringenderes Interesse an der Einschränkung oder Umwandlung religiöser Bindungen. Himmlers Ansichten helfen dabei, zu erklären, warum es auch während des Krieges noch zu einigen Verhaftungen von Priestern und Beschlagnahmungen von Besitztümern der katholischen Kirche kam. Für die NS-Ideologen war das Christentum im Wesentlichen „undeutsch.“



(37) Pius XII. Einstellung zu und Reaktionen auf das NS-Regimes haben jahrzehntelange Kontroversen ausgelöst. Eine historiographische Abhandlung zur Kontroverse findet sich bei: Pope Pius XII and the Holocaust, hg. von Carol Rittner und John K. Roth. London: Leicester University Press, 2002; Jose M. Sanchez, Pius and the Holocaust: Understanding the Controversy . Washington, DC: Catholic University Press, 2002 (dt.: José M. Sanchez, Pius XII. und der Holocaust. Anatomie einer Debatte , übersetzt von Karl Nicolai. Paderborn u.a.: Schöningh, 2002); Michael Phayer, The Catholic Church and the Holocaust, 1930-1965. Bloomington: Indiana University Press, 2000.

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