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Die Reorganisation des Schulwesens in Baden: Edikt erlassen vom Markgrafen Karl Friedrich von Baden (13. Mai 1803)

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4.) SchulAufseher bei den LandSchulen sind aller Orten der KirchspielsPfarrer, der erste weltliche OrtsVorgesezte und ein KirchenAeltester oder KirchenCensor (wo deren vorhanden sind), die dann hierbei, wo Censur- oder SittenGerichte bestehen nach deren Ordnung durch diese, wo aber keine dergleichen sind, für sich selbst, jedoch gemeinschaftlich, verfahren, und Uns für den jeweilig guten Fortgang des Schulwesens verantwortlich sind.

5.) SchulOberaufseher sind bei den Katholischen Unsere verordnete SchulVisitatoren, bei den Protestanten Unsere Speciale oder Inspectoren, die nicht allein jeweils alle Gelegenheiten benuzen müssen, um Kenntnisse von dem SchulZustand zu erlangen, sondern auch von Zeit zu Zeit, nach denen näher zu gewartenden Vorschriften, die Schulen ihres Bezirks zu visitiren haben.

6.) Lehrgegenstände in diesen UnterrichtsSchulen müßen seyn: a.) Buchstabiren, b.) Lesen, c.) Schreiben der deutschen Sprache, d.) Rechnen, e.) Singen, f.) biblische Geschichte, g.) Materialien des ReligionsUnterrichts, (wohin Wir dasjenige vornemlich rechnen, was mit dem Gedächtniß gefaßt werden muß.)

Zu diesen UnterrichtsSchulen müßen aber auch noch jeden Orts viererlei VollendungsSchulen hinzukommen. Die wichtigste davon

7.) ist die ChristenLehre oder CatechismusLehre d. i. der pfarramtliche Unterricht zu Erweiterung und vernünftiger Benuzung der in der UnterrichtsSchule erlernten Religions-Materialien: hierüber hat die KirchenObrigkeit jedes ReligionsTheils die nähere Anordnung, und Uns genüget also hier nur der Vollständigkeit wegen sie genannt zu haben.

8.) Die IndustrieSchule. In dieser müssen durchaus die Mädchen im Spinnen Stricken und Nähen in besondern Stunden durch aufzustellende Lehrerinnen unterrichtet werden. Wo erstere beede weibliche Arbeiten schon unter den Eltern so gemein sind, daß die Kinder zu Hauße bei den Müttern sie erlernen können, da kann zwar die öffentliche Anordnung des Unterrichts unterbleiben, aber eine jährliche öffentliche Prüfung der Kinder, in welcher sie über ihre darinn erlangte Befähigung Proben ablegen, darf nicht unterlassen werden, damit, wann Fahrläsigkeit der Eltern einrisse, man gleichbalden durch die öffentliche UnterrichtsBestellung wieder eingreife.
[ . . . ] Für die Knaben muß an Orten, wo nicht ein schwerer Feldbau oder dergleichen Arbeit sie das ganze Jahr durch beschäftigt, so viel thunlich, gesorgt werden, daß sie, oder wenigstens die davon nicht leichtlich zu dispensirende arme Knaben, irgend eine der Natur der Gegend angemessene HandArbeit; womit sie in Nothfällen sich helfen und noch irgend einen Erwerb machen können, und wäre es am Ende nur das Stricken, erlernen. [ . . . ]

9.) Die SonntagsSchule, welche von denen der Schule entlassenen Kindern, der Regel nach, bis zum zwanzigsten Jahr, oder wo Gründe sind davon abzuweichen doch wenigstens noch drei Jahre nach der SchulEntlassung, zu besuchen angehalten werden sollen, und welche unter Aufsicht der SchulAufseher, und soviel thunlich unter besonderer Mitwirkung der Pfarrer, die Fortübung in der ReligionsKenntniß, im Gesang, im Lesen, besonders im Lesen der geschriebenen Aufsäze, im Schreiben, besonders auch in Verfertigung eigener, zum gemeinen LebensGebrauch geeigneten kleinen Aufsäze, und im Rechnen, zum Gegenstand hat. Alles nicht in der Maase, daß sie nun die schriftliche Arbeiten in der SonntagsStunde verrichten, sondern daß ihnen desfalls Aufgaben gegeben werden, die sie die Woche über machen, den nächsten Sonntag aber bringen müssen, [ . . . ]. Diese Schule soll, (mit Ausnahme jedoch der besonders arbeitsamen Zeiten des Landmanns) das ganze Jahr durch dauern und geht beede Geschlechter an.

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