GHDI logo

Politisches Testament Friedrichs II. („des Großen”)(1752)

Seite 5 von 12    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Etwas muß ich diesen Uberlegungen noch hinzufügen, nämlich: daß wir uns, wären wir mit England oder dem Haus Österreich (ungeachtet der Tatsache, daß das gegen unsere Interessen ginge) verbündet, keinerlei Gebietserwerb versprechen könnten, während wir im Bündnis mit Frankreich im Kriegsfall Eroberungen erhoffen können, sofern das Glück unseren Waffen hold ist.

Was aber wir auch immer vom Krieg erwarten dürfen, mein gegenwärtiges Trachten geht darauf aus, den Frieden weiterhin zu erhalten, solange das, ohne das Ansehen und die Würde des Staates zu gefährden, möglich sein wird; denn Frankreich befindet sich in völliger Lethargie, seine schlechte Finanzwirtschaft setzt es fast ganz außerstande, auf Bellonas Bühne mit der ihr gebührenden Kraft und Würde aufzutreten, Schweden ist nur ein Name, hinter dem keine Macht steht, und was Spanien betrifft, so hat Frankreich die Unachtsamkeit begangen, es sich abspenstig machen zu lassen, was uns der Möglichkeit einer Diversion in Italien beraubt.

Dazu kommen noch andere Gründe. Es ist für uns in keiner Weise angebracht, noch einmal den Krieg zu beginnen; ein solches Aufsehen, wie es die Eroberung Schlesiens erregt hat, erinnert an Bücher, deren Originalausgaben großen Erfolg haben, deren Nachahmungen aber durchfallen. Wir haben mit der Erwerbung dieses schönen Herzogtums den Neid ganz Europas auf uns gezogen, und das hat unsere Nachbarn alarmiert. Es gibt keinen, der uns nicht mißtraut. Mein Leben ist kurz, als daß ich ihnen noch ein unseren Interessen günstiges Gefühl der Sicherheit wiedergeben könnte.

Würde außerdem der Krieg für uns ratsam sein, während Rußland mächtig gerüstet an unseren Grenzen steht und nur den Augenblick abwartet, gegen uns vorzugehen (was es jedoch nicht tun könnte, ohne daß es mit englischen Hilfsgeldern unterstützt wird), und wo ein Feldzug dieser Macht alle unsere Pläne gleich mit Beginn unserer Operationen zunichte machen würde? Unter solchen Umständen gibt es nichts, was sicherer wäre, als den Frieden zu wahren und gefaßt neue Bedingungen abzuwarten. Damit diese dann unsere Unternehmungen fördern, müßte erst Bestushew, dieser Minister, der wie ein Zar herrscht, sich aber an den Hof zu Wien verkauft hat, in Ungnade gefallen sein, und danach müßte man mittels Schenkungen seinen Nachfolger gewinnen können. Ferner müßte England beim Ableben seines Königs in die bei einer Regentschaft üblichen Zwistigkeiten stürzen, und es bedürfte eines Suleimans auf dem Thron in Konstantinopel sowie eines ehrgeizigen und allmächtigen Premierministers in Frankreich. Dann erst, bei einer solchen Lage der Dinge, wäre es an der Zeit zu handeln, wenngleich es auch nicht nötig wäre, als erster auf der Bühne zu erscheinen. Meine Meinung wäre, die kriegführenden Parteien ihr erstes Pulver verschießen zu lassen und nicht eher zu den Waffen zu greifen, als bis die anderen kampfesmüde geworden sind. Das würde sich für uns um so besser auszahlen, als wir dann bei solch umsichtigem Verhalten im größeren Vorteil wären und, da wir mit unseren Mitteln keinen langen Krieg zu finanzieren vermögen, die letzten drei oder vier Feldzüge aushalten könnten, genau nach der Maxime des Kardinals de Fleury: Derjenige wird Herr über seinen Gegner, der den letzten Taler in der Tasche behält.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite