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Politisches Testament Friedrichs II. („des Großen”)(1752)

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Es gibt zwei Arten von Kriegen: solche, die aus Eitelkeit, und solche, die aus Interesse geführt werden. Verrückt sind die zu nennen, die Kriege der ersten Art unternehmen; um sich in solche der zweiten Art einzulassen, muß man die richtigen Maßnahmen getroffen haben und darf sein Vorhaben und das Ziel, das man sich setzt, erst offenkundig werden lassen, wenn es mit Sicherheit auf den Frieden zugeht. Wer seine Pläne zu früh erkennen läßt, bringt sie zum Scheitern, denn er läßt seinen Feinden und Neidern Zeit, sich ihnen zu widersetzen. Wer zu schweigen versteht, dem kann es gelingen, gute Eroberung zu machen oder zumindest sich nicht mit Schande zu bedecken, falls er gezwungen ist, einen weniger vorteilhaften Frieden zu schließen, als er erhofft hatte.

Die Russen und die Österreicher müssen von uns beständig beobachtet werden, Rußland wegen seiner Affären in Polen und Schweden und den Verbindungen, die es zwischen Polen und dem Wiener Hof stiften könnte. Österreich verlangt gleichfalls große Aufmerksamkeit als der hauptsächlichste unserer Feinde, der den Fürsten von Lothringen auf den polnischen Thron zu setzen gedenkt und im Reich unumschränkt herrschen möchte, was alles wir auf keinen Fall dulden können. Da fragt es sich: Wie wäre das zu verhindern? Die Wege, die uns der gesunde Menschenverstand vorschreibt, sind: uns mit den Feinden unserer Feinde zu verbünden, das heißt mit Frankreich, Schweden, einigen Reichsfürsten und, wenn möglich, mit dem König von Sardinien und sogar dem Türken; darauf hinzuwirken, die Reichstage in Polen zu sprengen, indem wir eine gewisse Summe dafür aufwenden, wie wir es schon getan haben; den Polen zu verstehen zu geben, daß die Königin von Ungarn und die Zarin gefährliche Nachbarn sind, deren Ehrgeiz dahin geht, ohne Einverständnis der Republik über den Thron Polens zu verfügen und den Herzog von Lothringen, nachdem man ihn diesen hat besteigen lassen, zum Alleinherrscher zu machen; vor allem aber den Türken das Gefühl zu vermitteln, daß es ihrer Politik zuwiderläuft, wenn Ungarn und Polen sich in einer Familie vereinigt fänden.


Über die Haltung, die es gegenüber den Mächten in Europa einzunehmen gilt

Ein in der Politik erfahrener Mensch muß ein immer wandelbares und stets an die Umstände, in denen er sich befindet, und an die Personen, mit denen er zu tun hat, angepaßtes Verhalten an den Tag legen. Ein großer Fehler in der Politik ist es, immer anmaßend zu handeln, alles mit Gewalt entscheiden zu wollen oder aber immer Milde und Nachsicht walten zu lassen. Ein Mensch, der sich immer gleich verhält, wird bald durchschaut, und durchschaut werden darf man auf keinen Fall. Wenn es dahin kommt, daß man in seinem Charakter erkannt wird, sagen die Feinde: „Wir werden so oder so handeln, er wird dann entsprechend reagieren“, und nie werden sie etwas falsch machen; wenn man hingegen sein Benehmen ändert und immer einmal anders erscheint, führt man sie in die Irre, und sie täuschen sich in dem, was sie vorauszusehen meinen. Ein so kluges Verhalten aber verlangt, daß man sich ständig selbst beobachtet und, ohne sich jemals seinen Leidenschaften zu überlassen, sklavisch der Partei folgt, die zu ergreifen einem die wahren Interessen vorschreiben. Die große Kunst besteht darin, seine Absichten zu verbergen, und zu dem Zweck muß man sein Wesen verschleiern und darf nichts anderes als wohlerwogene und durch Gerechtigkeit gezügelte Charakterfestigkeit erkennen lassen. [ . . . ]

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