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Beschwerden und Forderungen – Die Zwölf Artikel der schwäbischen Bauern (27. Febraur-1. März 1525)

Das unten wiedergegebene Dokument war das Vorbild aller während des Bauernkrieges entstandenen Beschwerdelisten. Der Kürschner und Laienprediger Sebastian Lotzer entwarf diese Artikel in Memmingen zwischen dem 27. Februar und dem 1. März 1525; sie waren als Zusammenfassung der mehr als dreihundert Artikel gedacht, welche die Baltringer Bauern zusammengestellt hatten, um sie dem Schwäbischen Bund vorzulegen. Der Memminger Prediger Christoph Schappeler fügte die Vorrede hinzu. Die Zwölf Artikel wurden bereits kurz nach ihrer Fertigstellung veröffentlicht. Innerhalb weniger Wochen wurden sie fünfundzwanzigmal nachgedruckt und im Gebiet des Aufstands weitläufig verbreitet.

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Die grundlichen und rechten Hauptartikel aller Baurschaft und Hindersessen der gaistlichen und weltlichen Oberkaiten, von wölchen si sich beschwert vermeinen [12 Artikeln]


Dem christlichen Leeser Frid und Gnad Gottes durch Christum. Es sein vil Widerchristen, die jetzund von wegen der versammleten Baurschaft das Evangelion zu schmehn Ursach nemen, sagent, das sein die Frücht des neuen Evangelions: Niemant gehorsam sein, an allen Orten sich empor heben und aufpömen, mit großem Gewalt zůhauf laufen und sich rotten, gaistlich und weltliche Oberkaiten zů reformieren, auszůreiten, ja villeücht gar zů erschlagen? Allen diesen gotlosen, frevenlichen Urtailern antwurten dise nachgeschribne Artikel. Am ersten, das sie dise Schmach des Wort Gotes aufheben. Zům andern die Ungehorsamikait, ja die Empörung aller Bauren christenlich entschuldigen: Zum ersten ist das Evangelion nit ain Ursach der Empörungen oder Aufrůren, dieweil es ain Rede ist von Christo dem verhaißnen Messia, welchs Wort und Leben nichts dann Liebe, Fride, Geduld und Ainigkaiten lernet, also das alle, die in disen Christum glauben, lieplich, fridlich, gedultig und ainig werden; so dann der Grund aller Artikel der Bauren (wie dann klar gesehen wirt) das Evangelion zu hören und demgemeß zů leben, dahin gericht ist. Wie mügen dann die Widerchristen das Evangelion ain Ursach der Embörung und des Ungehorsams nennen? Das aber etlich Widerchristen und Feind des Evangelii wider sölliche Anmůttung und Begerung sich lönen und aufbömen, ist das Evangelion nit Ursach, sonder der Teüfel, der schedlichst Feind des Evangelii, der solches durch den Unglauben in den Seinen erweckt, hiemitte das das Wort Gotes (Liebe, Frid und Ainigkait lernent) undergetruckt und weggenommen wurde. Zům andern dann klar lauter volget, das die Bauren in iren Artikeln solches Evangelion zůr Leer und Leben begerend, nit mügen ungehorsam, aufrürisch genennt werden. Ob aber Got die Pauren (nach seinem Wort zů leben ängstlich růfent) erhören will, wer will den Willen Gotes tadlen? Wer will in sein Gericht greifen? Ja wer will seiner Mayestet widerstreben? Hat er die Kinder Israhel zů im schreiend erhöret und aus der Hand Pharaonis erlediget, mag er nit noch heut die Seinen erretten? Ja er wirts erretten! Und in ainer Kürz! Derhalben christlicher Leser, solliche nachvolgend Artikel lise mit Fleiß, und nachmals urtail.

Hie nahvolgent die Artikel

Der erst Artikel. Zum Ersten ist unser diemütig Bitt und Beger, auch unser aller Will und Mainung, das wir nun fürohin Gewalt und Macht wöllen haben, ain ganze Gemain sol ain Pfarer selbs erwölen und kiesen; auch Gewalt haben den selbigen wider zů entsetzen, wann er sich ungepürlich hielt. Derselbig erwölt Pfarrer soll uns das hailig Evangeli lauter und klar predigen one allen menschlichen Zůsatz, Leer und Gebot; dann uns den waren Glauben stetz verkündigen, geit uns ain Ursach, Got umb sein Gnad zů bitten; uns denselbigen waren Glauben einbilden und in uns bestetten; dann wann sein Genad in uns nit eingepildet wird, so bleiben wir stetz Fleisch und Blůt, das dann nichts Nutz ist; wie klärlich in der Geschrift stat, das wir allain durch den waren Glauben zů Got kommen kinden, und allain durch sein Barmherzigkait sälig müssen werden. Darumb ist uns ain söllicher Vorgeer und Pfarrer von Nöten und in diser Gestalt in der Geschrift gegrindt.

Der ander Artikel. — Zům andern nachdem der recht Zehat aufgesetzt ist im alten Testament und im Neuen als erfült, nichts destminder wöllen wir den rechten Kornzehat gern geben; doch wie sich gebürt. Demnach man sol in Got geben und den Seinen mitailen, gebürt es ainem Pfarrer, so klar das Wort Gots verkindt. Seien wir des Willen hinfüro disen Zehat unser Kirchbröpst so dann ain Gemain setzt, sollen einsemmlen und einnemen, darvon ainem Pfarrer, so von ainer ganzen Gemain erwölt wirt, sein zimlich, gnůgsam Aufenthalt geben, im und den Seinen, nach Erkantnus ainer ganzen Gmain. Und was überbleibt, sol man armen Dürftigen, so im selben Dorf verhanden seind, mittailen, nach Gestalt der Sach und Erkantnus ainer Gemain. Was überbleibt, soll man behalten, ob man raisen müßt von Lands Not wegen; darmit man kain Landsteuer dürf auf den armen Man legen, sol mans von disem Überschuß ausrichten. Auch ob Sach were, daz ains oder mer Dörfer weren, die den Zehenden selbs verkauft hettent aus etlicher Not halben, dieselbigen so darumb zů zaigen, in der Gestalt haben von ainem ganzen Dorf, der sol es nit entgelten; sonder wir wellen uns zimlicher Weis nach Gestalt der Sach mit im vergleichen, im sollichs wider mit zimlicher Zil und Zeit ablössen. Aber wer von kainem Dorf sollichs erkauft hat und ire Forfaren inen selbs solchs zůgeaigent haben, wöllen und sollen und seind inen nichts weiters schuldig zů geben, allain, wie obstat, unsern erwölten Pfarrer darmit zů underhalten, nachmalen ablesen oder den Dürftigen mittailen, wie die hailig Geschrift inhölt, si seien gaistlich oder weltlich. Den klainen Zehat wöllen wir gar nit geben, dann Got der Herr hat das Vich frei dem Menschen beschaffen, das wir für ain unzimlichen Zehat schetzen, den die Menschen erdicht haben. Darumb wöllen wir in nit weiter geben.

Der drit Artikel. Züm dritten ist der Brauch bisher gewesen, das man uns für ir aigen Leüt gehalten haben, wölchs zů erbarmen ist, angesehen das uns Christus all mit seinem kostparlichen Plůtvergüssen erlößt und erkauft hat, den Hirten gleich als wol als den Höchsten, kain ausgenommen. Darumb erfindt sich mit der Geschrift, das wir frei seien und wöllen sein. Nit das wir gar frei wöllen sein, kain Oberkait haben wellen, lernet uns Gott nit. Wir sollen in Gepotten leben, nit in freiem fleischlichen Můtwilen; sonder Got lieben, in als unsern Herren in unsern Nechsten erkennen und alles das ton, so wir auch gern hetten, das uns Got am Nachtmal gepotten hat zů ainer letz. Darumb sollen wir nach seinem Gepot leben, zaigt und weist uns dis Gepot an, das wir der Oberkait nit korsam seien, nit allain der Oberkait, sunder wir sollen uns gegen jederman diemütigen, das wir auch geren gegen unser erwelten und gesetzten Oberkait (so uns von Got gesetzt) in allen zimlichen und christlichen Sachen geren gehorsam sein. Seien auch on Zweifel, ir werdend uns der Aigenschaft als war und recht Christen geren entlassen oder uns im Evangeli des berichten, das wirs seien.

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