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Wilhelm von Humboldts Abhandlung „Ueber die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin” (1810)

Wilhelm von Humboldt (1767-1835), ein renommierter Philosoph, Gelehrter und Sprachwissenschaftler und der für die preußische Bildungsreform zuständige Minister, leitete die Planung und Eröffnung der innovativen Berliner Universität im Jahr 1810. Dieser Text spiegelt den Geist wider, welcher Humboldts Konzeption von Wissenschaft sowie das Streben danach in der Gelehrtengemeinschaft der Universität beseelte. Wissenschaft wurde nun als Selbstzweck aufgefasst, wenngleich auch als unabdingbar für Staat und Nation. Der Gedanke der „Freiheit in Forschung und Lehre“ kommt hier zum Ausdruck, obwohl Humboldt dem Staat eine bedeutende Rolle bei der Ernennung von Professoren und anderen Universitätsbediensteten zuschrieb.

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Abhandlung „Ueber die innere und äußere Organisation der höheren wissenschaftlichen Anstalten in Berlin“

Wilhelm von Humboldt


Der Begriff der höheren wissenschaftlichen Anstalten, als des Gipfels, in dem alles, was unmittelbar für die moralische Cultur der Nation geschieht, zusammenkommt, beruht darauf, dass dieselben bestimmt sind, die Wissenschaft im tiefsten und weitesten Sinne des Wortes zu bearbeiten, und als einen nicht absichtlich, aber von selbst zweckmässig vorbereiteten Stoff der geistigen und sittlichen Bildung zu seiner Benutzung hinzugeben.

Ihr Wesen besteht daher darin, innerlich die objective Wissenschaft mit der subjectiven Bildung, äusserlich den vollendeten Schulunterricht mit dem beginnenden Studium unter eigener Leitung zu verknüpfen, oder vielmehr den Uebergang von dem einen zum anderen zu bewirken. Allein der Hauptgesichtspunkt bleibt die Wissenschaft. [ . . . ] Denn sowie diese rein dasteht, wird sie von selbst und im Ganzen, wenn auch einzelne Abschweifungen vorkommen, richtig ergriffen. Da diese Anstalten ihren Zweck indess nur erreichen können, wenn jede, soviel als immer möglich, der reinen Idee der Wissenschaft gegenübersteht, so sind Einsamkeit und Freiheit die in ihrem Kreise vorwaltenden Principien. Da aber auch das geistige Wirken in der Menschheit nur als Zusammenwirken gedeiht, und zwar nicht bloss, damit Einer ersetze, was dem Anderen mangelt, sondern damit die gelingende Thätigkeit des Einen den Anderen begeistere und Allen die allgemeine, ursprüngliche, in den Einzelnen nur einzeln oder abgeleitet hervorstrahlende Kraft sichtbar werde, so muss die innere Organisation dieser Anstalten ein ununterbrochenes, sich immer selbst wieder belebendes, aber ungezwungenes und absichtsloses Zusammenwirken hervorbringen und unterhalten.

Es ist ferner eine Eigenthümlichkeit der höheren wissenschaftlichen Anstalten, dass sie die Wissenschaft immer als ein noch nicht ganz aufgelöstes Problem behandeln und daher immer im Forschen bleiben, da die Schule es nur mit fertigen und abgemachten Kenntnissen zu thun hat und lernt. Das Verhältniss zwischen Lehrer und Schüler wird daher durchaus ein anderes als vorher. Der erstere ist nicht für die letzteren, Beide sind für die Wissenschaft da [ . . . ].

Was man daher höhere wissenschaftliche Anstalten nennt, ist, von aller Form im Staate losgemacht, nichts Anderes als das geistige Leben der Menschen, die äussere Musse oder inneres Streben zur Wissenschaft und Forschung hinführt. Auch so würde Einer für sich grübeln und sammeln, ein anderer sich mit Männern gleichen Alters verbinden, ein Dritter einen Kreis von Jüngern um sich versammeln. Diesem Bilde muss auch der Staat treu bleiben, wenn er das in sich unbestimmte und gewissermassen zufällige Wirken in eine festere Form zusammenfassen will. Er muss dahin sehen,

1. die Thätigkeit immer in der regsten und stärksten Lebendigkeit zu erhalten;

2. sie nicht herabsinken zu lassen, die Trennung der höheren Anstalt von der Schule (nicht bloss der allgemeinen theoretischen, sondern auch der mannigfaltigen praktischen besonders) rein und fest zu erhalten.

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