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Unter den Osmanen – Ogier Ghiselin de Busbecq in Istanbul (1552-62)

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Am Ende des genannten Vorgebirges liegt der Palast der Sultane, anscheinend durch keine bauliche Pracht oder kunstvolle Ausstattung sehenswert; denn selber habe ich ihn noch nicht betreten. Unterhalb des Palastes bis zum Gestade hin dehnen sich am Meer entlang die kaiserlichen Gärten; vor allem in dieser Gegend, meint man, hat das alte Byzanz gestanden. Erwarte hier keine Erzählung von mir, warum vorzeiten die Chalkedonier, die in der Gegend von Byzanz ihren Sitz hatten und von denen heute kaum ein Gemäuer mehr steht, blind genannt wurden [in des Tacitus Annalen XII 63, auch bei Herodot IV 144]; auch nicht über die Natur dieses Meeres, das im ewigen Zuge abfließt und niemals zurückfließt; auch nicht über die Leckereien, die man von der Maeotis nach Konstantinopel bringt, die die Italiäner Moronella [Tunfisch], Botarga [Rogen der Meeräsche] und Caviar nennen. Denn das gehört nicht in einen Brief, dessen richtiges Maß ich schon jetzt überschritten habe, und außerdem kann man sich sowohl bei alten wie bei heute lebenden Schriftstellern darüber unterrichten. Ich kehre jetzt zur Lage Konstantinopels zurück, der lieblichsten für das Auge, der günstigsten für den Gebrauch, die sich ja denken läßt. Vornehme Gebäude wirst du, wie gesagt, in türkischen Städten vergebens suchen, auch vornehme Plätze; denn deren Enge schließt jede Anmut aus. Man findet vieler Orten nicht zu verachtende Reste alter Monumente; und doch wundert man sich vielmehr, nachdem Konstantin so viele von Rom herübergebracht hat, daß nicht mehr übrig ist. Über sie im einzelnen zu reden habe ich für jetzt nicht vor, aber weniges will ich berühren.

Da war die alte Rennbahn, das Hippodrom; dort sieht man zwei eherne Schlangen, ebendort ist auch der berühmte Obelisk. Ferner sieht man in Konstantinopel zwei denkwürdige Säulen: die eine liegt bei der Karawanserei, wo wir wohnten, die andere auf dem Markt, den die Türken Aurat-Bazar nennen, das heißt Weibermarkt; hier ist von unten bis oben die Geschichte eines Feldzugs des Arkadius eingehauen, der sie gebaut hat und dessen Standbild lange auf ihrer Spitze gestanden hat. Man möchte sie übrigens lieber eine Schnecke nennen als eine Säule wegen ihrer Stufenanlage, mit der man drinnen zur Höhe hinaufsteigt; ich habe eine Abbildung von ihr. Dagegen die Säule gegenüber der Herberge, wo der Sitte nach die kaiserlichen Gesandten unterkommen, besteht abgesehen von Untersatz und Bekrönung nur aus acht mächtigen Porphyrblöcken, die durch ihre Fügung wie Ein Stein aussehen; und das Volk glaubt, es wäre auch so. Denn wo sich Stein an Stein paßt, steht ein Lorbeergewinde über, das um die ganze Säule herumgeht; so wird, wenn man es von unten ansieht, die Fuge verborgen. Da diese Säule von häufigen Erdbeben erschüttert und von einem Brand in der Nähe geschwärzt ist, zeigt sie Risse an vielen Stellen und ist, um nicht einzustürzen, mit zahlreichen Eisenbanden umschlossen. Auf ihr soll einstmals ein Standbild Apollos, dann Konstantins, zuletzt des älteren Theodosius gestanden haben, aber alle habe die Gewalt der Winde oder ein Erdbeben heruntergestürzt.

Von dem Obelisken, dessen ich vorhin Erwähnung tat, der auf dem Hippodrom steht, erzählen die Griechen, er sei einmal vom Postament gefallen und habe jahrhundertelang am Boden gelegen. Zur Zeit der späteren Kaiser habe dann ein Baumeister sich anheischig gemacht, ihn wieder auf seine Basis zu stellen, und nachdem der Preis vereinbart war, habe er, vornehmlich aus Winden und Seilen, einen ungeheuren Apparat aufgestellt. Damit habe er den Riesenstein aufgerichtet und ihn aufrecht so weit gerückt, daß nur noch ein Finger breit bis zu der Höhe des Postamentes fehlte, auf das er gehörte. Da habe das zuschauende Volk geurteilt, Schweiß und Zweck der ganzen Zurichtung seien verloren, und man müsse mit schweren Mühen und Kosten das Werk von vorn anfangen; er aber habe sich nicht beirren lassen, sondern in Kenntnis der natürlichen Kräfte befohlen, eine gewaltige Menge Wasser zu bringen. Das ließ er stundenlang über seine Maschine gießen, und als die Taue, in denen der Obelisk hing, allmählich naß und wieder trocken wurden, hätten sie sich ihrer Natur gemäß zusammengezogen; so hätten sie den Obelisken emporgerückt und auf das Postament gestellt, unter großer Bewunderung und Beifall des Volkes.

Ich habe in Konstantinopel allerlei wilde Tiere gesehen: Luchse, Wildkatzen, Panther, Leoparden und Löwen, und zwar ganz gebändigte und zahme; ich habe selber gesehen, wie sich ein Löwe ein ihm vorgeworfenes Schaf von dem Bändiger aus dem Maul reißen und, da sein Rachen schon Blut gekostet hatte, besänftigen ließ. Ich habe auch einen ganz jungen Elefanten von seltener Drolligkeit gesehen: er tanzte und spielte Ball. Hier, glaube ich, wirst du kaum das Lachen verhalten: ein Elefant, wirst du sagen, der Ball spielt und tanzt? Zwar weniger als der seiltanzende Elefant, von dem Seneka, und der schriftkundige, von dem Plinius meldet. Aber höre genauer, damit du nicht glaubst, ich erfinde hier etwas, oder auch mich mißverstehst. Als man ihn tanzen hieß, hob er wechselsweise die Füße, mit dem ganzen Körper schwingend, so daß man deutlich sah, wie er der Tanzlust Ausdruck geben wollte. Mit dem Handball aber spielte er so, daß er ihn mit dem Rüssel geschickt auffing und weit zurückwarf, wie wir es mit der Hand tun. Wenn dir dies nicht genügt, um von Tanz- und Ballspiel reden zu können, dann mußt du einen suchen, der es klarer und beredter darstelle. Es war auch ein Kamelopardel — eine Giraffe — unter den wilden Tieren, kurz bevor ich nach Konstantinopel kam, doch leider grade eingegangen. Ich ließ aber die Knochen wieder ausgraben, weil ich sie sehen wollte. Das Tier ist auf der Vorderhand weit höher gewachsen als auf der Hinterhand, daher es sich zum Lasttragen oder Reiten nicht eignet. Weil Kopf und Nacken dem Kamel gleichen, das Fell aber wie beim Pardel gefleckt ist, nennen sie es Kamelopardel.

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