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Vom Reformer zum Revolutionär – Thomas Müntzer, Die Fürstenpredigt (13. Juli 1524)

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Seht hier den Text gut an. Der König Nebukadnezar wollte die Klugen darum töten, daß sie ihm den Traum nicht auslegen konnten. Es war verdienter Lohn. Denn sie wollten sein ganzes Reich mit ihrer Klugheit regieren und konnten das nicht, wozu sie eingesetzt waren. Ebenso sind auch jetzt unsere Geistlichen. Und ich sage euch fürwahr: Wenn ihr den Schaden der Christenheit so gut erkennen und recht bedenken könntet, würdet ihr in ebensolchen Eifer geraten wie Jehu, der König (4. Regum 9 und 10), und wie das ganze Buch der Apokalypse davon berichtet. Und ich weiß fürwahr, daß ihr euch nur mit großer Not zurückhalten würdet, dem Schwert seine Gewalt zu nehmen. Denn der erbärmliche Schaden der heiligen Christenheit ist so groß geworden, daß ihn jetzt keine Zunge mehr auszudrücken vermag.

Darum muß ein neuer Daniel aufstehen und euch eure Offenbarung auslegen, und der muß vorn, wie Moses lehrt (Deutr. 20), an der Spitze gehen. Er muß den Zorn der Fürsten und des ergrimmten Volks versöhnen. Denn wenn ihr den Schaden der Christenheit und die Betrügerei der falschen Geistlichen und verzweifelten Bösewichter recht erfahren werdet, werdet ihr so auf sie ergrimmt werden, wie es niemand ausdenken kann. Es wird euch ohne Zweifel verdrießen und sehr zu Herzen gehen, daß ihr so gütig gewesen seid, nachdem sie euch mit den allersüßesten Worten zu den allerschändlichsten Ansichten gegen alle aufgerichtete Wahrheit verleitet haben (Sap. 6). Denn sie haben euch genarrt, als ein jeder die Heiligen beschwor, die Fürsten sind ihres Amts wegen keine christlichen Leute, sie sollen nichts anderes als bürgerliche Einigkeit erhalten.

Ach, Lieber, ja, da fällt der große Stein bald und schlägt drauf und schmeißt solche vernünftigen Anschläge zu Boden, wie er Matth. 10 sagt: »Ich bin nicht gekommen, Frieden zu senden, sondern das Schwert.« Was soll man aber damit machen? Nichts anderes als die Bösen, die das Evangelium verhindern, wegtun und absondern, wenn ihr nicht des Teufels, sondern Gottes Diener sein wollt, wie euch Paulus im 13. Kapitel des Römerbriefes sagt. Ihr braucht nicht zu zweifeln: Gott wird all eure Widersacher zu Trümmern schlagen, die sich unterstehen, euch zu verfolgen. Denn seine Hand ist noch nicht verkürzt, wie Jesajas im 59. Kapitel sagt. Darum kann er euch noch helfen und will es tun, wie er dem auserwählten Könige Josia und anderen, die den Namen Gottes verteidigt haben, beigestanden hat. Also seid ihr Engel, wenn ihr rechttun wollt, wie Petrus (2. Petr. 1) sagt. Christus hat Luk. 19 mit großem Ernst befohlen und spricht: »Nehmet meine Feinde und würgt sie mir vor meinen Augen!« Warum? Ei darum, daß sie in Christi Namen sein Regiment verdorben haben und dann noch obendrein ihre Schalkheit unter der Gestalt des Christenglaubens verteidigen wollen und mit ihrem hinterlistigen Schanddeckel die ganze Welt arg machen. Darum sagt Christus, unser Herr, Matthäus 18: »Wer da einen von diesen Kleinen ärgert, dem ist besser, man hänge ihm einen Mühlstein an den Hals und werfe ihn in das tiefe Meer.« Es glossiere, wer da will, hin und her. Es sind die Worte Christi.

Darf nun Christus sagen »Wer da einen von den Kleinen ärgert«, was soll man dann sagen, wenn man einen großen Haufen im Glauben ärgert? Das tun die Erzbösewichte, die die ganze Welt ärgern und vom rechten Christenglauben abtrünnig machen und sagen, niemand soll die Geheimnisse Gottes wissen. Ein jeglicher soll sich nach ihren Worten und nicht nach ihren Werken halten (Matth. 23). Sie sprechen, es sei nicht vonnöten, daß der Glaube bewährt sei wie das Gold im Feuer (1. Petr. 1, Psalm 139). Aber auf diese Weise wäre der Christenglaube ärger als der Glauben eines Hundes, der hofft, ein Stück Brot zu empfangen, wenn der Tisch gedeckt wird. Einen solchen Glauben spiegeln die falschen Gelehrten der armen blinden Welt vor. Das ist für sie nichts Besonderes, denn sie predigen allein um des Bauches willen (Phil. 3). Weil ihr Glaube nicht aus dem Herzen kommt, können sie nichts anderes sagen (Matth. 12).

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