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Die Jugendzeit des Sohnes eines Nürnberger Schneiders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Rückblick)

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Endlich gab Hr. Obrist, mir einen schwarz versiegelten Brief, ehe ich ihm aber erbrach, bereiteten Sie mich vor, damit ich nicht so stark erschrecken möchte, ich bat Herrn Obristen die Gnade für mich zu haben, was doch eigentlich der Inhalt in den Brief seyn möchte, mir zu sagen: Landsmann man muß bei allen Widerwärtigkeiten, im menschlichen Leben sich standhaft betragen, sagte Herr Obrist: ich bat nur mir zu sagen, ob etwann von meinem Eltern jemand gestorben wäre; ich könnte gar nicht begreifen da ich erst vor sechs Tagen aus meiner Vaterstadt abgereißt und alles gesund verlassen, und doch einen schwarz gesiegelten Brief, dieser sezt mich in Erstaunen. Wir sind Menschen, und seyn vor dem Tode keinen Tag sicher, also ist alles bei Gott möglich, war die Antwort, wie wäre es Hr. Landsmann, wenn noch ein näherer Freund als die Eltern es anbeträfe, und wenn es gar die Frau wäre, die Gott plözlich von der Welt genommen hätte, wie würde man sich da bezeigen, vermuthlich als Christ.

Auf einmal wurde meine Seele und Geist wieder heiter, und meine Antwort Ihr Gnaden Herr Obrist wenn es dem so ist, so will ich wider meinen Gott nicht murren, Hiob hat gesagt: der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, der Name des Herrn sey gelobet. Daß nenne ich Philosophie, und standhaft seyn in seinem Unglück erwiederten der Herr Obrist, ich nahm meinen unterthänigsten Abschied, und gieng nach Hause, meldete den ganzen Vorgang meinen gnädigen Herrn, welche mich herzlich bedauerten, und fragten was ich jezt gesonnen wäre zu thun, denn Sie glaubten ich würde bei solchen Umständen, wiederum nach Hause gehen, alleine ich versicherte meinen gnädigen Herrn daß es von mir sehr unbillig wäre, wenn ich Hochdieselben bei diesen Umständen würde verlassen; ich wollte die Sache durch Briefe ausmachen. Ich war nun in einer mislichen Lage, die für mich nicht schlimmer seyn konnte, meine selige Frau hinterlies mir zwei Kinder, wovon das jüngste fünf Jahr alt war, ich sezte mich also sogleich und schrieb an meine Eltern, daß Sie Sorge tragen sollten, daß meine Kinder in Versorgung gebracht würden, und zweitens, daß mein Logis wo ich der Zeit gewohnt habe, beibehalten wird, und drittens möchten Sie mir doch ausführlich berichten, auf welche Art und Weise, was die Ursache seyn möchte, daß meine Frau so plözlich aus der Welt gieng. Ich erhielte sogleich wiederum Antwort, daß meine Tochter [14 Jahre alt] meine Eltern zu sich genommen hätten, und den Buben hätten Sie in die Kost gegeben, wofür ich alle Wochen acht und vierzig Kreuzer zahlen müßte.

Nun stelle sich jedermann vor [ . . . ] die acht und vierzig Kreuzer mußten herbeigeschaft werden, sie mochten nun herkommen wo sie wollten, ich mußte also wöchentlich für Wäsche, Barbier, Perückenmacher, und für alle übrige Kleinigkeiten sorgen, daß ich zu schwimmen und zu waden hatte. Alle Vierteljahr hatte ich für meinen Hauszins zu sorgen, meine Wache, und Losung mußten auch entrichtet werden; alle vier Wochen das Geld in die Leichenkassen, wenn ich an alle diese Umstände so nachdachte, so war ich ganz ausser mir [ . . . ]

[Im Mai 1781 kehrt Händler nach Nürnberg zurück.]

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