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Die Jugendzeit des Sohnes eines Nürnberger Schneiders in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (Rückblick)

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[Die Hoffnung auf ein Stipendium zerschlägt sich.]

[ . . . ] mein Hr. Pathe machte mir Vorstellungen die Handlung zu erlernen, alleine da ich die Sache reiflich überlegte, daß ich mit 24 Jahren noch Lehrjung seyn sollte, wollte es mir nicht behagen, denn dazu hatte ich doch zu viel Stolz. Ich hofte also auf die Hülfe des Herrn, und überließ mich gänzlich den blinden Glücke.

Eines Tages es war an einem Sonnabend invitirten mich meines Vaters seine vier Gesellen auf den morgenden Sonntag zu einem Spaziergang, ich argwohnte nichts schlimmes, und stellte mir gar nicht für, daß die Fuchsfalle gerichtet war, mich darin zu fangen, ich gieng also getrost mit meinen vier Reisegefährten, nach den mir so unglücklichen Erlenstegen, wer sollte glauben daß Eltern mit ihren Kindern so hinterlistig zu Werk gehen könnten, und da ich in meinem Leben so rechtschaffen gegen alle Menschen gehandelt habe, daß man mich auf eine so niederträchtige Art fangen würde. Es wurde ohne mein Wissen der Tisch gedeckt, man brachte gebratene Tauben und gebackene Fische, auch etliche Bouteillen Wein, ich machte große Augen, dachte aber wenn man unter Wölfen ist muß man mit ihnen heulen, es kam so weit, daß der Wein das Herz frölich machte, und in dieser Frölichkeit vergaß ich mich, trank Brüderschaft, und verschwor mich daß ich nichts anders als Futteralmacher über Gottes Geschöpfe werden wollte. Bei der Nachhauskunft wurde von den Vorgang nicht das mindeste erwähnt, ich gieng zu Bette, des morgenden Tages stund ich mit meinen neuen comilitonibus auf, und da mein Vater in die Boutique kam, fragte er mich in einem rauhen Tone, was ich da zu schaffen hätte? ich erwiederte ganz gelassen, ich sehete wol daß ich von aller Welt verlassen und mir nichts anders übrig bleibt, als gleichsam aus Desperation diesen Schritt zu thun; daraus wird nichts replicirte er, dasjenige was du gegenwärtig gesonnen bist zu thun, hättest du vor zwey oder drey Jahren thun können, und ich hätte dabey mein Geld erspahrt (es war aber nur blos Verstellung, denn bei so bewandten Umständen muß man sich so bezeigen, so fällt aller Argwohn weg) Ich machte Vorstellungen daß dieses wie ich schon erwähnt habe, blos aus Desperation geschehe und bei mir beschlossen hätte, weil es nicht anderst seyn sollte, so wollte ich doch lieber meines Vaters Jung seyn, als eines andern. Nun so sey es in Gottes Namen, aber dieses sage ich dir, ich will keine Schuld haben, denn mein Wille ist nicht dabei. Ich gieng also an meinen angewiesenen Plaz und betrat eine neue Laufbahn, in welcher weiter nichts interessantes vorfiel, ich brachte die meiste Zeit zu Hause zu, und das aus zweyerlei Gründen, erstlich schämte ich mich vor meinen ehemaligen Schulkameraden, und glaubte wenn sie mich seheten, würden sie mir mit Spottreden begegnen, und zweitens war das Geld sehr sparsam, denn wenn mir meine Mutter manchmal nicht etliche Groschen gegeben hätte, so würde es um mich schlecht bestellt gewesen seyn [ . . . ]

Ao. 1762. im Frühjahr gerieth mein Vater mit etlichen Gesellen in einem Wortstreit, es kam so weit, daß sie ihme die Arbeit aufkündigten. Sie berathschlagten sich künftigen Sonntag von Nürnberg abzureisen, wo ich mich zu einem Reisegefährten anbot, es wurde also verabredet und auch festgesezt; nächsten Morgen eröfnete ich meinen Eltern das Vorhaben, welche es [ . . . ] nicht hintertreiben konnten [ . . . ]

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