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Der aktuelle Stand der Entnazifizierung (31. Dezember 1950)

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Es kann nicht geleugnet werden, dass einige Schuldige der Entdeckung und Bestrafung entkommen sind. Es war unmöglich, im Umgang mit einem Regime, dass so lange existierte und so weitreichend in seinen Verzweigungen war wie der Nationalsozialismus, alle diejenigen vor Gericht zu stellen, die der Teilnahme oder Kollaboration an den Untaten des Naziregimes schuldig waren. Aber es wurde eine ernsthafte Anstrengung unternommen, Schuld festzustellen und die Schuldigen zu bestrafen und gleichzeitig sicherzustellen, dass jeder einzelne Angeklagte einen fairen Prozess in Übereinstimmung mit dem Gesetz erhielt.

Am Ende des Jahres 1950 näherte sich der Prozess der Entnazifizierung in der Bundesrepublik seinem formalen Ende. Die deutschen Behörden hatten zu diesem Zeitpunkt Maßnahmen eingeführt, die die Bestimmungen des Gesetzes dahingehend abänderten, dass nominelle Nazis von dessen Geltungsbereich ausgeschlossen wurden, während das Gesetz in Bezug auf aktive und kriminelle Elemente der Partei seine Gültigkeit behielt. Die einzelnen Länderparlamente berieten über Gesetzesentwürfe zur Beendigung der Entnazifizierungsmaßnahmen in den jeweiligen Ländern. Am 15. Dezember verabschiedete der Bundestag eine Resolution, die die Bundesregierung aufforderte, den Ländern die Annahme einer einheitlichen Gesetzgebung zu empfehlen, die die Auflösung des Entnazifizierungsprogramms regelte. Diese Empfehlung zog nicht die Aufhebung aller Entnazifizierungsentscheidungen in Erwägung, sondern sie schlug in die Länderverfassungen einzubauende Termine vor, die gleichzeitiges Handeln in der Beendigung des Prozesses sicherstellen sollten. Spezifische Kriterien wurden aufgestellt, um das Handeln der Länder zu leiten. Im Allgemeinen beinhalteten diese weitgehende Lockerungen der Beschränkungen, besonders auf die Kategorien III, IV und V bezogen. Die Empfehlung betont jedoch, dass die Strafverfolgung jedes von den Nazis begangenen Verbrechens fortzusetzen ist.

Diese Empfehlungen würden, so sie wirksam werden, die Beendigung praktisch aller Entnazifizierungsmaßnahmen bis zum 1. April 1951 mit sich bringen. Es wurde vorgeschlagen, dass die Bundesregerung und die Länder einen Plan ausarbeiten sollten, der die Nazi-Klassifizierungen III, IV und V bis zum 1. Januar 1951 abschafft; alle Wiedereinstellungsbeschränkungen mit der Ausnahme solcher, die die Kategorien I und II betreffen bis zum 31. März abschafft und alle Besitzbeschränkungen absenkt sowie das Wahlrecht für alle Klassifizierungen zum 1. April wiederherstellt. Insofern scheint es, dass die formale Entnazifizierung in den ersten Monaten des Jahres 1951 beendet sein wird.

Die abschließende Bewertung des Entnazifizierungsprogramms ist eine Aufgabe für den Historiker. Es ist sogar zu früh, um zu entscheiden, ob dessen Durchführung seitens der deutschen Behörden seit es an sie übergeben wurde als Erfolg bezeichnet werden kann oder aber als gescheitert verurteilt werden muss.

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