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Das neue Programm der FDP (25.-27. Oktober 1971)

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Freiheit und Glück des Menschen sind für einen solchen Sozialen Liberalismus danach nicht einfach nur eine Sache gesetzlich gesicherter Freiheitsrechte und Menschenrechte, sondern gesellschaftlich erfüllter Freiheiten und Rechte. Nicht nur auf Freiheiten und Rechte als bloß formale Garantien des Bürgers gegenüber dem Staat, sondern als soziale Chancen in der alltäglichen Wirklichkeit der Gesellschaft kommt es ihm an. Wie auf dem Felde der Bildungspolitik tritt der Soziale Liberalismus auch auf dem der Gesellschaftspolitik ein für die Ergänzung der bisherigen liberalen Freiheitsrechte und Menschenrechte durch soziale Teilhaberrechte und Mitbestimmungsrechte, nicht mehr nur an der verfassungsmäßigen Organisation des Staates, sondern an der arbeitsteiligen Organisation der Gesellschaft.

Liberalität und Demokratie auch in der Sphäre der Gesellschaft, wie zuvor in der Sphäre des Staates, aus dem gleichen revolutionären Gedanken der Menschenwürde und Selbstbestimmung, um den alle Verwandlung schon des unfreiheitlichen Obrigkeitsstaates in einen freiheitlichen Rechtsstaat sich dreht, führt zu einer grundlegenden Veränderung des überkommenen unfreiheitlichen Ständestaates oder Klassenstaates hin auf einen freiheitlichen Sozialstaat.

Die nachfolgenden Thesen zur liberalen Gesellschaftspolitik entwerfen die politische Praxis, die diesen neuen Geist einer Demokratisierung der Gesellschaft, der sich in unserer Partei zunächst vor allem auf dem Felde der Bildungspolitik, im Kampf um gleiche Bildungs- und Berufschancen für alle Bürger: um ein Bürgerrecht auf Bildung Bahn gebrochen hat, auch im Bereiche der Gesellschaftspolitik aus prinzipiellen Postulaten in präzise Thesen einer künftigen liberalen Gesellschaftspolitik umsetzt. [ . . . ]

These 1: Liberalismus nimmt Partei für Menschenwürde durch Selbstbestimmung.

Er tritt ein für den Vorrang der Person vor der Institution.

Er setzt sich ein für größtmögliche Freiheit des einzelnen Menschen und Wahrung der menschlichen Würde in jeder gegebenen oder sich verändernden politischen und sozialen Situation.

Behauptung der Menschenwürde und Selbstbestimmung des Einzelnen in Staat und Recht, in Wirtschaft und Gesellschaft gegenüber einer Zerstörung der Person durch die Fremdbestimmung und durch den Anpassungsdruck der politischen und sozialen Institutionen waren und sind die ständige Aufgabe des klassischen wie des modernen Liberalismus.

Oberste Ziele liberaler Gesellschaftspolitik sind daher die Erhaltung und Entfaltung der Individualität persönlichen Daseins und der Pluralität menschlichen Zusammenlebens.

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