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Die FDP wird hofiert und diskutiert ihre Optionen (30. September 1969)

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Hoppe: In der Wahlnacht hat Willy Brandt mich telefonisch zu einer Besprechung gestern 15.00 Uhr in die Baracke gebeten. In dieser Unterhaltung gestern um 15.00 Uhr hat er zunächst davon Kenntnis gegeben, daß auch unter Berücksichtigung der kritischen Äußerungen Wehners in der Wahlnacht über die F.D.P. der gesamte Vorgang der Wahl und das Wahlergebnis mit den daraus zu ziehenden Folgerungen noch einmal eingehend Gegenstand der Beratung im Vorstandsgremium der SPD gewesen sein und daß man sich einstimmig entschieden habe, die Koalition SPD–F.D.P. zu suchen. Er hat mir in diesem Gespräch gesagt, daß die SPD diese Koalition deshalb nunmehr mit allen Konsequenzen wagen und eingehen will, um deutlich zu machen, daß man diese Chance – die man 1966 nicht genutzt hat und wofür man den Vorwurf kassiert hat, daß man eine Chance zur Veränderung der deutschen Politik habe vorübergehen lassen – jetzt voll wahrnehmen wolle und daß es hier einen einstimmig erklärten Willen der SPD gebe, diesen Weg zu gehen. Er hat mich deshalb in dem Gespräch um 15.00 Uhr gebeten, mit Rücksicht auf die Wichtigkeit der Entscheidung der F.D.P. als korrespondierender Partei vor den Verhandlungen in den Führungsgremien der F.D.P. ein Informationsgespräch zwischen ihm und unserem Parteivorsitzenden herbeizuführen, da er der Meinung war, es sei für Scheel, es sei für die F.D.P. wichtig, vorher von der SPD umfassend informiert zu werden.

Ich habe daraufhin den Kontakt zu Herrn Scheel in Düsseldorf gesucht und habe dann gestern nachmittag die Herren in der Berlin–Vertretung zusammengeführt. In der Berlin–Vertretung hat in einem Gespräch, das zu dritt gelaufen ist, der Parteivorsitzende der SPD Herrn Scheel gegenüber diese Haltung, diese Entscheidung der SPD-Führung noch einmal offiziell mitgeteilt und dabei erläutert, daß die von der SPD angestrebte Koalition nach Meinung der SPD in der Weise zu versuchen und vorzubereiten sei, daß Verhandlungskommissionen – die von der SPD war dazu bereits gebildet und ist uns in dem Augenblick namentlich mitgeteilt worden – sich schnell bemühen sollten, sich über ein Sachprogramm der gemeinsamen Regierungsarbeit zu einigen. Dabei wies Herr Brandt insbesondere darauf hin, daß der sicher schwierige und kritische Punkt der Wirtschafts- und Finanzpolitik Gegenstand besonders sorgfältiger Erörterung sein müsse, damit ein solide vorbereitetes gemeinsames Arbeitsprogramm verhindere, daß es nachher in der praktischen Zusammenarbeit womöglich zu Schwierigkeiten komme, die man durch eine solide Vorbereitung in Diskussion über die Sachfragen ausschalten müsse.

Darüber hinaus ist angedeutet worden, man glaube, daß wenn es zu einer Einigung in den Sachfragen komme – und die SPD hat keinen Zweifel, daß es mit Rücksicht auf unsere Erklärung in der Wahlplattform und die Vorstellungen der SPD eigentlich nahtlos gelingen müsse, zu einer gemeinsamen soliden Plattform zu kommen –, die personelle Zusammenführung zwingend in der Weise erfolgen müsse, daß der Parteivorsitzende der F.D.P. als Vizekanzler dann ins Auswärtige Amt als Ressort wechseln müsse. Außerdem sei es doch wohl nötig, über eine Kabinettsreform zur Einsparung von Ressorts zu kommen. Darüber hinaus sollten alle weiteren personellen Fragen, wenn die Sachfragen abschließend geklärt seien, zwischen den beiden Parteivorsitzenden abschließend erörtert werden.

Das war der Inhalt des Informationsgesprächs in der Berlin-Vertretung. So ist dieses Gespräch mit der umfassenden Information durch Herrn Brandt abgelaufen.

Ich habe – ich darf es hier wagen – aus guter Berliner Zeit dann auch noch ein Gespräch mit dem Staatssekretär im Bundespräsidialamt, Herrn Spangenberg, geführt und bei dieser Gelegenheit auch den Bundespräsidenten selbst gesehen und mit ihm gesprochen. Er hat mir gesagt und mir berichtet, daß Herr Kiesinger gerade vorher um 16.30 Uhr bei ihm gewesen sei, und hat mich gefragt, wie ich die Geschlossenheit und Handlungsfähigkeit der F.D.P beurteile. Herr Kiesinger habe ihm gerade im Gespräch offenbart, daß er große Erwartungen habe, Kanzler zu werden, da die F.D.P. eine absolut brüchige Partei sei, und daß er, Kiesinger, mit Sicherheit davon ausgehen könne, daß die F.D.P. eine ausreichende Unterstützung für ihn, Kiesinger, als Kanzler bereit halte. – Ich habe dem Herrn Bundespräsidenten auf seine Frage gesagt, ich glaubte die F.D.P. besser zu kennen als Herr Kiesinger; auf eine solche Spekulation sollte sich Herr Kiesinger nicht einlassen; die CDU habe insoweit schon einmal völlig falsch spekuliert.

Das ist alles, was ich hier zu Berichterstattung vortragen kann.

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