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Joseph Anton Koch, Schmadribachfall im Lauterbrunner Tal (1811)

In der Epoche der Romantik gewann die Landschaftsmalerei zusehends an Ansehen als gleichberechtigtes Bildgenre neben Historienmalerei und religiöser Ikonographie. Joseph Anton Koch (1786-1839) war der Nachfahre einer langen akademischen Tradition, in der selbst die herausragenden Landschaften Nicolas Poussins und Claude Lorrains aus dem 17. Jahrhundert hauptsächlich als Hintergrund für biblische und mythologische Szenen dienten. Wie die Nazarener auch, rebellierte Koch gegen den Vorrang klassischer Ikonographie in der Akademie und wandte sich stattdessen dem Studium der Natur zu. Kochs besondere Art der Malerei, die als „heroische Landschaft“ bekannt wurde, entstand aus verschiedenen zeitgenössischen Interessen und Einflüssen. Dazu gehörte auch die Beliebtheit der „Grand Tour“, der obligatorischen Italienreise der gebildeten Elite, die über die Alpen führte (wie Goethe es in seiner Italienischen Reise beschreibt) und daher eine große Nachfrage nach Bildern entstehen ließ, welche die Erhabenheit der Gebirgsüberquerung einfingen. Kochs Darstellung des Schmadribach-Wasserfalls im schweizerischen Lauterbrunner Tal spielt jedoch nicht die schwindelerregenden Gefahren der erhabenen Natur hoch, wie der britische Maler J.W.M. Turner es womöglich getan hätte. Stattdessen schafft Koch durch eine Vielzahl scharfer Details etwas, das dem „Mathematisch-Erhabenen“ Kants näher kommt, bei dem der Geist versucht, das Unendliche zu erfassen. Kochs Landschaften waren dem wachsenden wissenschaftlichen Interesse an geologischen Formationen und anderen zeitgenössischen philosophischen Untersuchungen der Naturphänomene verpflichtet. Wie auch die enzyklopädische Erforschung der Volkstums- und Märchenerzählungen der Brüder Grimm, vereinigen Kochs heroische Landschaften sowohl klassische Strenge als auch das Streben der Romantiker nach einer Erneuerung der Kunst durch Themen und Formen, die gleichzeitig universell und in einer spezifischen Zeit und einem spezifischen Ort verwurzelt sind.

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Joseph Anton Koch, <I>Schmadribachfall im Lauterbrunner Tal</i> (1811)

© Bildarchiv Preußischer Kulturbesitz / Museum der bildenden Künste Leipzig / Ursula Gerstenberger
Original: Museum der bildenden Künste Leipzig