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Jüdische Synagoge, Oranienburger Straße 30 (um 1885)

Nur wenige Tage bevor die siegreichen preußischen Truppen ihre Siegesparade durch das Brandenburger Tor abhielten (21. September 1866), nahmen Bismarck und andere Honoratioren an der Einweihung der neuen jüdischen Synagoge in der Oranienburger Straße teil. Erbaut wurde sie nach Plänen Eduard Knoblauchs und Friedrich August Stülers in den Jahren 1859-66. Mit ihrer enormen vergoldeten Kuppel, gekrönt von einem Davidsstern, nahm die Synagoge sofort einen beherrschenden Platz in der Berliner Skyline ein. Ebenso wie die Siegesparade der Preußen den Triumph der deutschen Reichseinigung unter den Hohenzollern symbolisierte, markierte die Einweihung der Synagoge das Hervortreten Berlins als eine Hauptstadt von Weltrang und das Mündigwerden der lebendigen jüdischen Gemeinde in der Stadt. Zwischen 1864 und 1874 verdoppelte sich die jüdische Bevölkerung von Berlin nahezu, sie stieg von 24.000 auf 45.000. Doch für Berliner und andere Deutsche, denen der neu erlangte wirtschaftliche und kulturelle Einfluss der Juden widerstrebte, spiegelte sich deren fremdartiger, „orientalischer“ Charakter in der quasi maurischen Architektur wider, die an das goldene Zeitalter des jüdischen Lebens im islamisch beherrschten Spanien erinnern sollte. Historiker des späten 19. Jahrhunderts wie Heinrich von Treitschke und Werner Sombart erkannten das betont urbane Wesen des deutschen Judentums, doch zählten sie auch zu den vielen Deutschen, die argumentierten, die Juden würden immer ihren nomadischen, „asiatischen“ Ursprüngen treu bleiben. Daher gingen Treitschkes berühmter Polemik vom November 1879, „Die Juden sind unser Unglück“, abfällige Kommentare über Judenjungen voran, die aus Polen oder noch weiter östlich gelegenen Orten über die Oder kamen, um mit Hosen in den Straßen Berlins zu hausieren. Treitschkes Kombination aus Direktheit und Gelehrsamkeit war ein explosives Gemisch. Er solle einmal erklärt haben, man wisse immer, dass man eine Stadt betreten habe, wenn eine Synagoge auftaucht. Bei einer anderen Gelegenheit fügte er hinzu, „erwägt man die charakteristische Thatsache, daß das schönste und prächtigste Gotteshaus der deutschen Hauptstadt eine Synagoge ist – was natürlich nicht den Juden, sondern den Christen zum Vorwurfe gereicht – so läßt sich schlechterdings nicht in Abrede stellen, daß die Juden in Deutschland mächtiger sind als in irgend einem Lande Westeuropas.“ (Heinrich von Treitschke, Herr Graetz und sein Judenthum (1879) in Walter Boehlich, Hg. Der Berliner Antisemitismusstreit. Frankfurt a. M.: Insel, 1965, S. 35)

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Jüdische Synagoge, Oranienburger Straße 30 (um 1885)

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