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„Modus vivendi” (1878)

Der Bildtext dieser Karikatur ist ein wenig doppelsinnig, ebenso wie die vom Papst geäußerte deutsche Wendung „geniren Sie sich nicht“, was unterschiedlich interpretiert werden kann als „machen Sie es sich bequem“, „sprechen Sie freimütig“, oder „bemühen Sie sich nicht“. Als Bismarck darauf (ebenfalls mit ausgestrecktem Stiefel) „gleichfalls“ antwortet, ist der Sachverhalt klar: Keine der beiden Seiten wird sich erniedrigen müssen, um zu einem Modus vivendi, einer erträglichen Form des Zusammenlebens zu gelangen, die eine Entspannung des Kulturkampfs erlaubt. Der Anführer der katholischen Zentrumspartei, Ludwig Windthorst (1812-1891), der durch den Vorhang hereinspäht, zeigt sich skeptisch über eine ständige Versöhnung zwischen Kirche und Staat: Würde das im Einflussverlust seiner Partei münden? Die Karikatur erschien ursprünglich 1878 in der Satirezeitschrift Kladderadatsch: in einer Zeit, als politische Insider bereits von Bismarcks Bestreben wussten, den Kulturkampf aufzugeben und Windthorsts Partei in eine zukünftige Reichstagsmehrheit einzubeziehen. Damals war „Modus vivendi” ein allseits eingängiger Begriff für eine Einigung zwischen Kirche und Staat.

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„Modus vivendi” (1878)

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