GHDI logo


Konservative Kritik am Frauenaktivismus (1852)

In diesem Auszug aus seinem Werk Die Familie (1852) übt Wilhelm Heinrich Riehl scharfe Kritik an „emanzipierten“ Frauen und jeglicher Beteiligung der Frauen am öffentlichen Leben. Unter Hinweis auf die natürlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern fordert er die Frauen auf, neuen Stolz auf ihren „ächten Stand“ als Gattinnen und Hausfrauen zu entwickeln anstatt Frauenvereine zu gründen.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 3


Auch in Deutschland traten Frauen auf und machten Profession aus der Lehre der Entfesselung weiblicher Art und Sitte. Wir sehen nicht bloß in Paris, sondern auch in norddeutschen Städten, namentlich in den Jahren 1842-1848, Damen in Männerrock und Hosen, mit Sporen und Reitpeitsche, die wogende Feder auf dem Hut, die brennende Cigarre im Mund durch die Straßen stolziren und in den Bierkneipen zechen. Wir sehen Luise Aston – vor andern der „öffentliche Charakter“ unter dieser Gruppe – ausgewiesen, eine „Märtyrerin“. Sie wird wegen Preßvergehen angeklagt, weil ihre „wilden Rosen“ als zu stacheligt erschienen waren, und steht mannhaft dem Berliner Polizeipräsidenten, Herrn von Puttkammer, Rede, und entwickelt ihm in großer Geläufigkeit ihre politischen, religiösen und socialen Ansichten, nicht ohne einige theoretische Excurse über die Ehe und die Freigebung der Naturrechte der Frauen. Nachgehends wird sie wieder ein Weib und geht mit in den schleswig-holsteinischen Feldzug, um in den Spitälern zu helfen und die verwundeten Krieger zu pflegen. Und diese vielbesprochene Dame war nicht etwa ein tolles Mädchen oder eine alte Jungfer, sondern eine, wenn auch geschiedene Gattin, eine Mutter. Die Ehe wirkt sonst am tiefsten dahin, das Weib weiblich zu bewahren. Die Ueberweiblichkeit aber begreift den Ernst der Ehe nicht mehr; wie in ihr das Geschlecht schrankenlos in seiner Eigenart sich gehen läßt, so auch das Individuum. Da bleibt kein Raum mehr zur Opferwilligkeit für die große Idee der Familie und des Hauses. Jene emancipirte Frau war die Tochter eines deutschen Landpfarrers, in der Einsamkeit des Dorfes erzogen, von früh auf nur ein schwärmerisches Gemüthsleben führend, dann einem reichen, nüchternen englischen Maschinenfabrikanten angetraut, aus ihrer Einsamkeit plötzlich in die fremde große Welt gestoßen. Da waren alle Vorbedingungen zur Ueberweiblichkeit gegeben.

Wenn Tausende von Männern gegenwärtig aus dem socialen Geleise kommen, weil sie, in zärtlichster Besorgniß um sich selbst, die „rechte Existenz“ und den „rechten Beruf“ verfehlt zu haben wähnen: dann werden Tausende von Frauen irre an der natürlichen Stellung des Weibes, weil sie, bei gleicher Selbstverhätschelung in den falschen Ehebund getreten zu seyn glauben. Gerade für den Ernst der Ehe sind wir im Durchschnitt viel zu sentimental gegenüber unserm werthen Ich, zu zärtlich gegen uns selbst. Das wirkt die Ueberweiblichkeit, die auch Männer weibisch macht. Vordem war man fatalistischer, oder, wenn man will, gottergebener, biß die Zähne zusammen und hielt den einmal erwählten Beruf, die einmal geschlossene Ehe als eine in Gottes Rathschluß vollendete Thatsache fest, und so gab es gar keine communistischen Männer und nur wenige emancipirte Frauen. Das ist ja eben das eigentliche Salz der Ehe, daß man, wenn man einmal Ja gesagt hat, nicht wieder Nein sagen kann.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite