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Karl Marx, Das Kapital, Erstes Buch, Der Produktionsprozess des Kapitalismus (1867)

Karl Marx (1818-1883) war ein Philosoph, Propagandist und Revolutionär – und zwar in dieser Reihenfolge. Er dürfte als der bedeutendste und einflussreichste Denker Deutschlands im 19. Jahrhundert gelten. Im Jahr 1867 veröffentlichte Marx den ersten Band seines Hauptwerks Das Kapital. Der Produktionsprozess des Kapitalismus; den 2. und 3. Band veröffentlichte sein langjähriger Mitarbeiter (und Mitverfasser des Kommunistischen Manifests von 1848), Friedrich Engels (1820-1895). Marx zufolge ist die treibende Kraft der Geschichte der Klassenkampf und im modernen Zeitalter die Ausbeutung und Entfremdung der Arbeiter unter dem Kapitalismus. Letztlich ist der Ursprung jeglichen Profits der Mehrwert eines Produkts, den sich die Kapitalistenklasse widerrechtlich aneignet und der eigentlich den produktiven Arbeitern gehört. Dies ist das Mittel, wodurch die Kapitalistenklasse und das kapitalistische Produktionssystem die Arbeiterklasse oder das Proletariat ausbeutet. Marx’ Theorie vom Mehrwert ist in der folgenden Passage aus Das Kapital umrissen. Es handelt sich nur um einen – wenn auch den entscheidenden Teil – seiner umfassenden Analyse des Kapitalismus und seiner Dysfunktionen. Durch die Verwendung zahlreicher anschaulicher Beispiele ist dieser Ausschnitt in einem Stil gehalten, der selbst dem unkundigen oder skeptischen Leser überraschend zugänglich ist.

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Kehren wir zu unsrem Kapitalisten in spe zurück. Wir verließen ihn, nachdem er auf dem Warenmarkt alle zu einem Arbeitsprozeß notwendigen Faktoren gekauft hatte, die gegenständlichen Faktoren oder die Produktionsmittel, den persönlichen Faktor oder die Arbeitskraft. Er hat mit schlauem Kennerblick die für sein besondres Geschäft, Spinnerei, Stiefelfabrikation usw. passenden Produktionsmittel und Arbeitskräfte ausgewählt. Unser Kapitalist setzt sich also daran, die von ihm gekaufte Ware, die Arbeitskraft, zu konsumieren, d. h. er läßt den Träger der Arbeitskraft, den Arbeiter, die Produktionsmittel durch seine Arbeit konsumieren. Die allgemeine Natur des Arbeitsprozesses ändert sich natürlich nicht dadurch, daß der Arbeiter ihn für den Kapitalisten, statt für sich selbst verrichtet. Aber auch die bestimmte Art und Weise, wie man Stiefel macht oder Garn spinnt, kann sich zunächst nicht ändern durch die Dazwischenkunft des Kapitalisten. Er muß die Arbeitskraft zunächst nehmen, wie er sie auf dem Markt vorfindet, also auch ihre Arbeit, wie sie in einer Periode entsprang, wo es noch keine Kapitalisten gab. Die Verwandlung der Produktionsweise selbst durch die Unterordnung der Arbeit unter das Kapital kann sich erst später ereignen und ist daher erst später zu betrachten. Der Arbeitsprozeß, wie er als Konsumtionsprozeß der Arbeitskraft durch den Kapitalisten vorgeht, zeigt nun zwei eigentümliche Phänomene.

Der Arbeiter arbeitet unter der Kontrolle des Kapitalisten, dem seine Arbeit gehört. Der Kapitalist paßt auf, daß die Arbeit ordentlich vonstatten geht und die Produktionsmittel zweckmäßig verwandt werden, also kein Rohmaterial vergeudet und das Arbeitsinstrument geschont, d. h. nur so weit zerstört wird, als sein Gebrauch in der Arbeit ernötigt.

Zweitens aber: das Produkt ist Eigentum des Kapitalisten, nicht des unmittelbaren Produzenten, des Arbeiters. Der Kapitalist zahlt z. B. den Tageswert der Arbeitskraft. Ihr Gebrauch, wie der jeder andren Ware, z. B. eines Pferdes, das er für einen Tag gemietet, gehört ihm also für den Tag. Dem Käufer der Ware gehört der Gebrauch der Ware, und der Besitzer der Arbeitskraft gibt in der Tat nur den von ihm verkauften Gebrauchswert, indem er seine Arbeit gibt. Von dem Augenblicke, wo er in die Werkstätte des Kapitalisten trat, gehörte der Gebrauchswert seiner Arbeitskraft, also ihr Gebrauch, die Arbeit, dem Kapitalisten. Der Kapitalist hat durch den Kauf der Arbeitskraft die Arbeit selbst als lebendigen Gärungsstoff den toten ihm gleichfalls gehörigen Bildungselementen des Produkts einverleibt. Von seinem Standpunkt ist der Arbeitsprozeß nur die Konsumtion der von ihm gekauften Ware Arbeitskraft, die er jedoch nur konsumieren kann, indem er ihr Produktionsmittel zusetzt. Der Arbeitsprozeß ist ein Prozeß zwischen Dingen, die der Kapitalist gekauft hat, zwischen ihm gehörigen Dingen. Das Produkt dieses Prozesses gehört ihm daher ganz ebensosehr, als das Produkt des Gärungsprozesses in seinem Weinkeller.

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