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Frauenaktivismus in der Revolution von 1848/49: Statuten des ersten Wiener demokratischen Frauenvereins (1848); Aktionen des Vereins (1850); Petition zur Einberufung des Landsturmes (16. Oktober 1848)

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III. Petition zur Einberufung des Landsturmes (16. Oktober 1848)

In der Reichstagssitzung vom 17. Oktober wurde folgende Adresse durch vier Damen übergeben und sehr beifällig aufgenommen, wiewohl bekanntlich der Beschluß des Reichstags hinsichtlich des Landsturmes leider verneinend ausfiel.

Hoher Reichstag!

Die Freiheit, das Vaterland sind in Gefahr! Ein Schmerzensruf durchdringt alle Herzen, ein Gefühl belebt jede Brust!

Durchdrungen von der hohen Bedeutung unserer bedrängten Zeitverhältnisse, welche uns zum unvermeidlichen Kampfe rufen, um der Knechtschaft einer Soldatenherrschaft zu entgehen, halten wir es für unsere Pflicht, auch unsere Wünsche mit jenen unserer Brüder zu vereinen, um an einen hohen Reichstag das dringende Gesuch zu stellen, er möge mit energischer Kraft die Zügel der Regierung ergreifen, bevor es zu spät. Der Mut und die Entschlossenheit unserer Freiheitskämpfer, wir können sagen dem ganzen Volke, welches bereit ist, für die gute Sache bis auf den letzten Mann zu stehen, ist so groß, daß wir eigentlich allein imstande wären, den Feind zu besiegen. Doch lange Zögerungen wirken besonders auf halbentschlossene Menschen immer schwächend. Es wäre daher höchst notwendig, ein hoher Reichstag möge den Landsturm, der mit ungeheuren Kräften nur seines Winkes harrt, entbieten, indem, je imponierender die Macht, je größer die Streitkräfte, desto weniger Opfer würden fallen, einen Sieg zu erkämpfen, der ohnehin schon jetzt mit soviel unnütz vergossenem Menschenblute teuer genug erkauft.

Jetzt gilt es zu handeln. Jede Minute des Aufenthaltes kostet vielleicht viele Menschenleben – soweit unsere Blicke reichen, sehen wir das mörderische Geschütz sich vor uns entfalten – Vernichtung drohender Soldatenherrschaft sei unsere Losung! Wir dürfen nicht länger säumen, um jeden Preis unsere kostbaren Errungenschaften zu bewahren. O, hört unsere Warnung, unseren Hilferuf, Vertreter eines freien Volkes! Ladet nicht den Vorwurf der Mit- und Nachwelt auf Euer Haupt durch ängstliches Zögern und Beraten, wo es sich um das Wohl von Millionen handelt. Freie Männer des Volkes, beweiset, daß Ihr würdig des Vertrauens seid einer so großen Nation, und erbaut Euch ein Denkmal in den Annalen der Geschichte, das unzerstörbar. Bürger! Wir vertrauen Eurem bewährten Pflichtgefühl.

Wien, den 16. Oktober 1848
Im Namen des ersten demokratischen Wiener Frauenvereins Karoline Perin, Vorsitzerin
(und außerdem gegen 1000 Unterschriften)


Aus: Gerlinde Hummel-Haasis, Schwestern zerreißt eure Ketten: Zeugnisse zur Geschichte der Frauen in der Revolution von 1848/49. München: Deutscher Taschenbuchverlag, 1982, S. 247-53.

Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Taschenbuchverlags, München.

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