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Auszüge aus dem Staats-Lexikon: „Familie, Familienrecht” (1845-1848)

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durch den Ehevertrag auch anerkannten) Anspruch auf solche Obergewalt oder Präponderanz der Stimme hat aber der Mann. Nicht nur ist nehmlich gar oft bei Schließung der Ehe die Frau noch minderjährig, demnach zur Aeußerung eines rechtskräftigen Willens noch unfähig, sondern es ist überhaupt (wenigstens in der Regel, von welcher allein hier die Rede sein kann) der Mann verständiger, kräftiger, muthiger, an Lebenserfahrungen reicher und namentlich auch zu Verhandlungen mit Fremden geeigneter als die Frau und es wird daher billig bei allen wahrhaft gemeinschaftlichen Angelegenheiten (als Wahl des Aufenthaltes, Vermögensverwaltung, Richtung der Kindererziehung u.s.w.) seine Stimme oder sein Wille der nach der natürlichen Eheordnung entscheidende sein. Zur Milderung solcher unvermeidlichen Herrschaft des Mannes ist die Liebe wirksam; auch bleibt, nach dem Princip jener Herrschaft, immerdar noch der Frau ein ihren rein persönlichen Interessen und Rechten entsprechender Spielraum für freie Lebensthätigkeit vorbehalten. Ein solcher Vorbehalt mag, je nach Umständen, ohne die vernünftige Ordnung zu stören, auch in Bezug auf Vermögens-Besitz, Genuß und Selbstverwaltung gemacht werden. Das natürlichste und als Regel wohl am meisten zu billigende Verhältniß in letzter Beziehung ist zwar allerdings die Gemeinschaftlichkeit aller Habe und alles Erwerbs, und bei der Verwaltung desselben die Herrschaft des Mannes. Ja, man sagt wohl auch, die Frau, welche aus Liebe dem Mann sich selbst oder ihre ganze Persönlichkeit übergab, werde oder müsse ihm auch das unendlich geringere Gut, nehmlich ihr sachliches Vermögen, überlassen. Allein dieses ist Schwärmerei mehr als Wahrheit. Die Geneigtheit, welche die leidenschaftlich oder innig Liebende zu solcher Ueberlassung haben mag, begründet noch keine Pflicht dazu; und wenn auch, nach dem Begriff und der moralischen Natur der Ehe, eine Hingabe der eigenen Person geschehen muß, so folgt daraus nicht, daß darum kein Vorbehalt in Bezug auf das Vermögen gemacht werden darf oder soll. Die Erfahrung zeigt, daß gar oft solches Vertrauen misbraucht wird, und daß sodann die unglückliche Gattin, neben dem Schmerz über Nichterwiderung der Liebe, auch noch die aus der Armuth quellende fortwährende Pein zu tragen hat. Die Klugheit mag also, je nach Umständen, zu einigem — sei es von der Braut selbst, sei es von ihren Eltern oder Vormündern zu bedingenden — Vorbehalt auffordern, und auch die Moral muß ihn billigen, zumal in Rücksicht der Kinder, welchen (ja oft auch dem Mann selbst) derselbe höchst wohlthätig werden kann. Es ist übrigens klar, daß für das, was in allen einzelnen Fällen gut, klug oder wohlthätig sei, keine allgemein gültige Regel, zumal nicht vom Vernunftrecht, aber auch nicht vom positiven, aufgestellt werden kann. Doch ist es die Aufgabe des letzten, eine solche, in Uebereinstimmung mit den in der Nation vorherrschenden Vermögensverhältnissen, Sitten, Lebensweisen u. s. w., dann auch mit Berücksichtigung der wahren politischen, d. h. Gesammt-Interessen, vorzuschreiben, nehmlich in der Weise, daß dieselbe überall da, wo die sich Verehelichenden nichts Anderes vertragsmäßig unter sich festsetzten, gelten, d. h. gewissermaßen als von den Betheiligten stillschweigend genehmigt betrachtet werden, jedoch auch allen in die Ehe Tretenden gestattet sein solle, das ihren besonderen Verhältnissen und Interessen mehr Entsprechende durch eigenen Ehevertrag festzusetzen. Die Haupterfordernisse einer solchen positiv aufzustellenden Regel über die sowohl während der Ehe als nach deren Auflösung (durch Tod oder Trennung) vom Staat anzuerkennenden und zu schirmenden Vermögensrechte der Ehegatten, und auch ihrer Angehörigen oder Erben, sind Klarheit und genaue Bestimmtheit, sodann aber auch thunlichste Uebereinstimmung mit der natürlichen Eheordnung und eine auf Verbesserung oder Heilung der etwa bei einer Nation factisch eingetretenen Verderbniß solcher Ordnung gehende Richtung.

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