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Die Katholiken: Die Versammlung der katholischen Vereine des Rheinlands und Westfalens (1849)

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Wir Katholiken bilden jetzt schon, solange Deutschland im Umfang des Deutschen Bundes besteht, nur eine kleine Majorität; sollte Österreich wirklich aus dem neuen Reich ausscheiden, dann würden wir in »Kleindeutschland« sogar stark in der Minorität uns befinden, und gleichwohl sollten wir an unsere protestantischen Mitbürger mit Fug die Forderung stellen können, daß das Oberhaupt der ganzen Nation nie ihrer, sondern immer nur unserer Konfession zugetan sein dürfe? Es wäre dies ein Vorzug, der jetzt, wo doch alle Privilegien und insbesondere alle Begünstigungen einer Konfession vor der anderen endlich einmal aufhören sollen, ganz wieder die Gestalt eines konfessionellen Privilegiums hätte und nicht verfehlen würde, auf der Gegenseite Mißstimmung und Übergriffe zur Vergeltung hervorzurufen.

Und vollends ein mit der Schirmvogtei über die katholische Kirche bekleideter Kaiser! Würden die Protestanten denn nicht ihrerseits verlangen, daß auch für ihre Kirche ein kaiserlicher Schirmvogt bestellt, also ein protestantischer Kaiser neben dem katholischen eingesetzt werde? Sie sehen, auf diesem Wege können wir wohl zwei Kaiser und zwei deutsche Kaisertümer erlangen. So bedenklich ist die Blöße, die wir uns mit solchen Forderungen geben würden, und so schwer würde der Vorwurf abzulehnen sein, daß wir die Rechtsgleichheit der Bekenntnisse in Deutschland, die wir eben erst errungen und zur Wahrheit gemacht zu haben glauben, gleich selbst wieder verletzten, ja mit Füßen träten.

Es zeigt uns aber dieses schlagende Beispiel, auf welches schlüpfrige und gefahrvolle Gebiet die katholischen Vereine unvermeidlich geraten müssen, sobald sie die politischen Angelegenheiten des Tages in den Kreis ihrer Tätigkeit zu ziehen unternehmen. Jedes Heraustreten aus dem eigenen Gebiet und Übertreten in ein fremdes rächt sich; die Piusvereine aber sind ihrer Natur und ihrem ursprünglichen Programm nach kirchlich; die Politik ist nicht ihr Feld.

Wohl hat man gesagt, die Piusvereine dürften nur feste, im kirchlichen Boden wurzelnde Prinzipien an die Spitze ihrer politischen Tätigkeit stellen, um auch hier sicherzugehen und ersprießlich zu wirken. An und für sich ist es allerdings recht und gut, daß man Prinzipien voranstelle; aber die Anwendung dieser Prinzipien in einzelnen gegebenen Fällen ist gewöhnlich nicht so klar und einleuchtend als das Prinzip selbst, und auch auf dem politischen Gebiete pflegt der Kampf nicht sowohl über das Prinzip, als über die Konsequenzen, welche aus dem Prinzip gezogen werden sollen, geführt zu werden. Wo gibt es mehr Zweifel, Schwanken und Ungewißheit als in dem Gebiet der neuesten deutschen Politik? Wenn irgend, so ist es hier dringend nötig, jedem seine Überzeugung zu lassen, jedem zu gestatten, seine eigenen Schlüsse aus den gemeinschaftlich anerkannten Prinzipien zu ziehen.

Wollen die Piusvereine hier unduldsam werden und in ihrem Schoße nur ein ganz speziell entwickeltes politisches Glaubensbekenntnis und eine diesem Bekenntnisse genau entsprechende Handlungsweise zugeben, so wird große Unzufriedenheit die nächste Folge sein; aus dieser werden sich Spaltungen entwickeln, die dann zur Auflösung der Vereine führen müssen. Zwar hat man von einer katholischen Politik gesprochen in der Meinung, daß die Vereine nur diese zu ihrer Richtschnur zu nehmen brauchten, um sich einig zu bleiben und eine gedeihliche Tätigkeit zu entwickeln; ich gestehe jedoch, daß ich mir von dieser katholischen Politik keine klare Vorstellung zu bilden vermag, daß ich mir nicht zutraue, von jeder gegebenen wichtigeren politischen Frage sofort zu bestimmen, welches die katholische und welches die unkatholische Lösung derselben sei.

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