GHDI logo

Die Katholiken: Die Versammlung der katholischen Vereine des Rheinlands und Westfalens (1849)

Seite 9 von 14    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Herr Propst Döllinger aus München:

Nur an Ihren Verstand werde ich mich wenden, meine Herren, nicht an Ihr Gefühl, nicht an Ihre Sympathien, wie der Redner vor mir getan hat. Wenn man, wie er, zu den unmittelbar mit den kirchlichen Interessen zusammenhängenden Fragen auch die mittelbar darauf Bezug habenden politischen Fragen hinzuzieht, dann kann man allerdings so ziemlich das ganze Gebiet der Politik in den Bereich der katholischen Vereine ziehen. Es würde nicht schwerfallen, bei allen Gegenständen der Politik irgendeinen Zusammenhang derselben mit kirchlichen Interessen zu deduzieren. Ich möchte den Vorredner auffordern, mir irgendeine Streitfrage der höheren Politik zu nennen, die nicht wenigstens mittelbar mit den religiösen und kirchlichen Interessen zusammenhinge.

Meine Herren, ich stelle Ihnen die Sache offen dar, wie sie liegt. Die Kirche ist im Grunde bei jeder politischen Frage näher oder entfernter, von der einen oder anderen Seite beteiligt; es wäre also die Beteiligung schon ein zureichender Grund für Vereine zu kirchlichen Zwecken, auch alle bedeutenderen Fragen der Tagespolitik in den Kreis ihrer Tätigkeit zu ziehen, wenn jene Behauptung gegründet wäre. Wohin dies aber führen, welchen schädlichen Einfluß es auf die ganze Stellung, ja die Existenz dieser Vereine ausüben müßte, das lassen Sie uns an derjenigen Frage betrachten, welche gegenwärtig die gespannteste Teilnahme aller Deutschen in Anspruch nimmt, an der Frage von der Reichsverfassung und der Wahl des Reichsoberhauptes. Es ist kein Zweifel, daß die deutsche Nation über diese Frage gespalten ist, und zur Stunde kann noch niemand mit Sicherheit bestimmen, nach welcher Seite die überwiegende Mehrheit des Volkes sich neige. Den Äußerungen des verehrlichen Redners vor mir zufolge, wäre es nun der Beruf und die Aufgabe der Piusvereine, sich mit ihrer Energie und den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln der Volksbelehrung und Volksüberredung auf diese Fragen von Kaiser und Reich zu werfen, und zwar sollen wir als Katholiken im Interesse unseres Glaubens für die Wiederherstellung des alten Kaisertums, wie es im Mittelalter geblüht, und für die Rückkehr der Kaiserkrone in das alte Kaiserhaus, das habsburgische, arbeiten, dann, meint und wünscht er, werde auch die alte Schirmvogtei des Kaisers über die katholische Kirche wiederhergestellt werden.

Fassen wir hier den letzten Punkt zuerst ins Auge, so erregt er mir schon große Bedenken. Soll nämlich dem neuen Kaiser die Pflicht eines besonderen Schutzamtes über die Kirche obliegen, so kann es nicht fehlen, er wird nach der Regel, daß die Verpflichtung gegen einen anderen immer auch mit entsprechenden Rechten und Ansprüchen verbunden ist, seinerseits auch einen Einfluß auf die von ihm beschützte Kirche gewinnen und an der Leitung ihrer Angelegenheiten teilnehmen wollen, und man wird weder Fug noch Macht haben, dem bestellten Schutzherrn der Kirche diesen Anteil vorzuenthalten. Wie steht es dann aber um jene Freiheit und Unabhängigkeit der Kirche, die wir als eine so glückliche, wenn auch freilich noch lange nicht in Sicherheit gebrachte Errungenschaft der jüngsten Zeit betrachten? Werden wir denn nicht zugeben oder selbst darauf antragen müssen, daß die Paragraphen in den deutschen Grundrechten und der neuen preußischen Verfassung, welche diese Unabhängigkeit aussprechen, wieder getilgt werden?

Weiter aber liegt in dieser Wiederherstellung des alten Kaisertums und der ihm zu überweisenden kirchlichen Advokatur die Forderung, daß der Kaiser der Deutschen nur ein Katholik sein dürfte. Hier, meine Herren, appelliere ich an Ihre Gerechtigkeit: Können, dürfen wir wirklich in Deutschland diese Forderung stellen bei der unbedingten Parität der Rechte, welche für die Genossen aller Religionen und namentlich für Katholiken und Protestanten bestehen soll?

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite