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Emil Lehmanns Petition zur Verbesserung der Rechtsverhältnisse der Juden in Sachsen (25. November 1869)

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Nachdem der achte deutsche Juristentag auf Grund der übereinstimmenden Gutachten des Herrn Geh. Justizrath Professor Dr. Wasserschleben zu Gießen und des als Autorität für das Eherecht anerkannten Herrn Professor Dr. Emil Friedberg, damals in Freiburg im Breisgau, sich für Einführung der Civilehe und für Freigabe der Ehe zwischen Christen und Nichtchristen ausgesprochen, [Verh. des VIII. deutschen Juristentages I. S. 253, S. 271] muß die Frage als wissenschaftlich gelöst gelten. Es darf somit die Beseitigung der §§ 1617 und 1588 des bürgerlichen Gesetzbuches auch für Sachsen als eine Frage der Zeit angesehen, ihre baldige Vornahme aber um so sehnlicher erwartet werden, als es gilt, das bürgerliche Gesetzbuch von dem Schatten eines Rückschritts zu befreien.

[ . . . ]


IX.

Das Gesammtergebniß dieser Darstellung des dermaligen Rechtszustandes der Juden in Sachsen führt zu folgenden Anträgen:

Die hohen Kammern wollen geneigtest beschließen:

daß zu

I.

§ 2 der Verordnung vom 12. August 1869 und § 51 des bürgerlichen Gesetzbuchs aufzuheben sei,

zu

II.

die §§ 32, 56 der Verf.-Urk. einer Revision im Sinne allgemeiner Religionsfreiheit zu unterziehen seien,

zu

III.

§ 1617 des bürgerlichen Gesetzbuches zu streichen sei,

zu

IV.

die Verordnung vom 3. August 1868 dahin zu interpretiren, bezw. zu ergänzen sei, daß auch die §§ 4, 5 des Gesetzes vom 30. Mai 1840 durch sie beseitigt sind und daß ihr auch in Requisitionsfällen genau nachzugehen ist,

zu

V.

die Schlußstelle in § 7 der Ausführungsverordnung zur Notariatsordnung vom 3. Juni 1859 außer Kraft zu setzen,

zu

VI.

die Staatsregierung um Zulassung jüdischer Sachwalter zur Praxis vor den Ehegerichten,

und

zu

VII.

um Erlaß der Verordnung hinsichtlich der Verhandlung jüdischer Ehedifferenzen vor den Appellationsgerichten zu ersuchen,

auch

zu

VIII.

die jüdischen Religionsgemeinden bis zur Einführung allgemeiner bürgerlichen Civilstandsregister zur alleinigen Führung der Geburts-, Trauungs- und Sterbelisten für ihre Glaubensgenossen zu ermächtigen seien.



In größter Ehrerbietung verharrt
Adv. Emil Lehmann.




Quelle: Emil Lehmann, „Die Rechtsverhältnisse der Juden in Sachsen“ (Petition an den Landtag des Königreichs Sachsen um Aufhebung der mit § 33 der Verfassungsurkunde in Widerspruch stehenden Bestimmungen – Dresden, 25. November 1869), in Lehmann, Gesammelte Schriften. Berlin: H. S. Hermann, 1899, S. 154-69, hier 154-62, 168-69.

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