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4. Umgang mit sozialen Konflikten
Druckfassung

Überblick   |   1. Die Vertiefung der Teilung   |   2. Der Konflikt zwischen Demokratie und Dikatur   |   3. Probleme der sozialen Marktwirtschaft   |   4. Umgang mit sozialen Konflikten   |   5. Verunsicherungen der Moderne   |   6. Erfolg im Westen – Scheitern im Osten

Eine andere Folge des Wertewandels, den der Generationenkonflikt mit sich brachte, war die Entstehung einer breiten Umweltbewegung in der Bundesrepublik. Bedingt durch die Ausdehnung der Stadtgebiete und die Massenmotorisierung, welche die Warnungen des Club of Rome vor den Grenzen des Wachstums zu belegen schienen, verstärkte sich in den sechziger Jahren die Sorge um die Natur, eine Bewegung, die in Deutschland Tradition hatte. Lokale Bürgergruppen begannen für den Erhalt landschaftlich besonders reizvoller Orte zu kämpfen, wie die Wutachschlucht im Schwarzwald, die durch den Bau eines neuen Staudamms bedroht war. Mit der Unterstützung der Bauern vor Ort begannen linksgerichtete Jugendliche, apokalyptische Ängste vor potentiellen Unfällen in Atomkraftwerken zu artikulieren und sich neuen Bauprojekten mit einer Reihe zum Teil gewalttätiger Aktionen entgegenzustellen. Ende der siebziger Jahre fanden diese verschiedenen Initiativen in der Gründung einer neuen politischen Partei zusammen, die sich schließlich „Die Grünen“ nannte. In der DDR entstanden Umweltschutzgruppen, die gegen die durch Tagebau und Chemiefabriken bewirkten Landschaftszerstörungen protestierten, erst in den achtziger Jahren. Die SED-Repression ließ ihnen kaum eine andere Wahl, als damit gleichzeitig eine systemkritische Haltung zu beziehen (23).

Ein letzter Aspekt dieser Mobilisierung der Bürger war das Aufkommen einer starken Friedensbewegung, die letztlich sogar die deutsch-deutsche Grenze überwand. In beiden deutschen Staaten war die Kriegsangst auch deswegen besonders groß, weil der Kalte Krieg zu einer Konzentration sowohl von Truppen als auch von Waffen, inklusive Atombomben, auf deutschem Boden geführt hatte. Der NATO-Doppelbeschluss von 1979 führte deshalb in Westdeutschland zu weit verbreitetem öffentlichem Aufruhr: Gewerkschaften, Kirchen und Intellektuelle sprachen sich gegen die Stationierung zusätzlicher Raketen aus. Das Trauma des zweiten Weltkrieges hatte eine weit verbreitete Opposition gegen die Wiederbewaffnung hervorgebracht und zu einem nachsichtigen Umgang mit Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen durch die Einrichtung eines alternativen Zivildienstes geführt. Auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs gab sich die DDR-Führung friedensbewegt, während sie ihre eigene Gesellschaft durch paramilitärisches Pflichttraining in der Schule militarisierte. Unter dem Slogan „Schwerter zu Pflugscharen“ formierte sich eine ostdeutsche Friedensbewegung im Umfeld der evangelischen Kirche, die das atomare Wettrüsten kritisierte (24).



(23) Andrei Markovits und Philip S. Gorski, The German Left: Red, Green and Beyond (New York, 1993); Gene E. Frankland und Donald Schoonmaker, Between Protest and Power. The Green Party in Germany (Boulder, CO, 1992).
(24) Jeffery Herf, War by Other Means: Soviet Power, West German Resistance, and the Battle of the Euromissiles (New York, 1991).

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