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3. Reformation
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1. Augenzeugen und Familien   |   2. Regierung   |   3. Reformation   |   4. Konfessionen


E. Kaiserliche Reformation

Die Konfrontation zwischen Luthers Reformation und dem Heiligen Römischen Reich begann 1521 auf dem Reichstag in Worms. Luther, inzwischen per römischem Dekret exkommuniziert, wurde unter sicherem Geleit zum Reichstag bestellt, um seine Lehre darzulegen. Am 18. April 1521 wurde er gefragt, ob er bereit sei, seine Irrlehren am folgenden Tag vor Kaiser Karl V. und den Reichsständen zu widerrufen. Daraufhin erklärte Luther in der vielleicht berühmtesten Rede seiner Zeit, er könne nur dann widerrufen, wenn er durch die Bibel und die Vernunft überzeugt würde, dass seine Ansichten falsch seien. Der junge Kaiser erklärte als Antwort darauf – durch einen Redner, nicht persönlich – er werde am Glauben seiner Vorfahren und der Tradition der katholischen Kirche festhalten, denn es sei nicht möglich, dass ein einziger Mann gegen die gesamte Kirche Recht haben konnte. Dies war der entscheidende Moment der deutschen Reformation: Bibel und Vernunft gegen Tradition und Kirche. Einen Monat später erließ Karl das Wormser Edikt, welches die Reichsacht über Luther, seine Anhänger und seine Schriften, sowie gegen jedermann, der sie herstellte oder verkaufte verhängte. Das mehrmals wiederveröffentlichte Edikt erwies sich jedoch als nicht durchführbar.

Die städtischen Bewegungen der Zeit vor dem Bauernkrieg hatten den Klerus und die Bürger in verschiedene Parteien gespalten. Nach dem Aufstand begannen die Fürsten ebenfalls, Parteien zu bilden. Sie schufen so die Möglichkeit sowohl des politischen Schutzes der protestantischen Reformation als auch der Eingliederung der Bewegung in die Struktur der Reichsregierung, wodurch deren revolutionäres Potenzial geschwächt wurde. Der Begriff „Protestanten“ begann nach dem Reichstag in Speyer (1529) zu kursieren, auf dem einige Fürsten und Reichsstädte gegen die erneute Veröffentlichung des Wormser Edikts durch den Reichstag protestierten. Ihre Partei gewann auf dem Augsburger Reichstag (1530) an Profil, indem sie eine umfassende Darlegung der lutherischen Lehre in 28 Artikeln vorlegten, die sogenannte Augsburger Konfession. Nachdem die kaiserlichen Theologen diese abgelehnt hatten, machten Kaiser und katholische Stände sich daran, die Hauptstreitpunkte aus katholischer Sicht zu definieren. Nach der Auflösung dieses Reichstags begannen die Reichsstände, sich in bewaffneten Ligen zu organisieren. Der Kaiser hatte den Protestanten eine Frist bis April 1532 gegeben, um einem vorläufigen Frieden zuzustimmen (bis ein kirchliches Generalkonzil zusammentreten würde). Am 27. Februar 1531 beschlossen die Protestanten ihren nach dem Versammlungsort in Thüringen benannten Schmalkaldischen Bund. Unter der Führung zweier Kommandanten, Kurfürst Johann von Sachsen und Landgraf Philipp von Hessen, folgte der Bund dem typischen Muster deutscher politischer Bündnisse, jedoch mit zwei Ausnahmen: erstens vereinte er Norden und Süden – von Straßburg bis Pommern – in bisher beispielloser Weise; zweitens verschrieb er sich „got, dem allmechtigen, zu lob und schuldigen eern, zu furderung und uffnemung seins hailligen worts und euangelions“ und gelobte „cristenlich zu regiern und vorzusthen“. Der Schmalkaldische Bund bestand fünfzehn Jahre lang, bis er sich nach der Niederlage gegen die kaiserlichen Truppen 1547 auflöste. Karl V. enthob die beiden Kommandanten ihres Landbesitzes und verfügte, dass die Protestanten eine teilweise Wiedereinsetzung katholischer Riten hinnehmen und ihre Theologen zum Konzil nach Trient schicken mussten.

Der Triumph des Kaisers sollte jedoch nur von kurzer Dauer sein, da Kurfürst Moritz von Sachsen, der 1547 an der Seite des Kaisers gegen die Protestanten, zu denen er selbst gehörte, gekämpft hatte, sich 1552 mit dem König von Frankreich zur Revolte verbündete. Der Friedensschluss zwischen Moritz und König Ferdinand, dem Bruder und mutmaßlichen Erben Karls, beinhaltete einige der Bestimmungen, die im Augsburger Religionsfrieden von 1555 wieder auftauchen sollten. Der Religionsfrieden setzte die Reichsregierung instand, indem er eine Unmöglichkeit akzeptierte: eine Mehrzahl von Religionen. Er verfügte die Glaubensfreiheit für die Reichsstände (nicht deren Untertanen), welche sich innerhalb des nach wie vor katholischen Königreichs zur Augsburger Konfession bekannten. Mit drei Ausnahmen gab es den Ständen das Recht, die offizielle Religion zu bestimmen und abtrünnige Untertanen zu Konformität oder Auswanderung anzuhalten. Diese Formel wurde später von einem Juristen als „wessen Gebiet, dessen Religion“ [cuius regio, eius religio] bezeichnet. Die drei Ausnahmen, gegen die im ersten Fall die Protestanten und im zweiten die Katholiken protestierten, waren: 1. Ein katholischer Bischof der zum Protestantismus übertrat, musste Amt und Zuständigkeitsbereich aufgeben [Reservatum ecclesiasticum]; 2. Die Untertanen von Fürstbischöfen waren von der Konformitätsregel ausgenommen [Declaratio Ferdinandea]; 3. Sollten bestimmte Reichsstädte gemäß des Paritätsprinzips gemeinsam von Lutheranern und Katholiken regiert werden.

Das Jahr 1555 ist vermutlich der am häufigsten genannte Wendepunkt vom Zeitalter der Reformation im engeren Sinn zum konfessionellen Zeitalter. Die Bedeutung dieses Moments wurde durch die Abdankung Karls V. im folgenden Jahr zusätzlich verstärkt. Entgegen seinem ursprünglichen Wunsch bestätigte er nicht seinen Sohn, sondern seinen Bruder Ferdinand als Thronfolger. Diese kluge Entscheidung ging allerdings mit der schlechtesten Entscheidung seiner Regentschaft einher, nämlich der, seinem Sohn Philipp, dem (zukünftigen) König von Spanien, die Thronfolge über die Niederlande zu übertragen. Ferdinand förderte die convivencia unter dem Leitfaden des Religionsfriedens mit erheblichem Erfolg. Unter der Herrschaft seines Sohnes, Maximilian II., war der Frieden im Reich Angriffen von drei Seiten ausgesetzt: erstens führte das Anwachsen des reformierten (calvinistischen) Glaubens seit den 1560er Jahren zur Entstehung einer zweiten, verbotenen protestantischen Konfession; zweitens gefährdete die Wiederbelebung des Katholizismus ab den 1570er Jahren das Verhältnis zwischen Kaiser und protestantischen Reichsständen; und drittens erschwerten die Religionskriege in Frankreich und den Niederlanden die Aufrechterhaltung des Religionsfriedens.


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