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Die Mangelwirtschaft in Ostdeutschland erschwert die Weihnachtseinkäufe (21. Dezember 1980)

Ein West-Berliner Journalist berichtet über die anhaltenden Versorgungsengpässe in der Planwirtschaft, die die Weihnachtseinkäufe in Ostdeutschland zu einem nervenaufreibenden Abenteuer werden lassen. Der weit verbreitete Warenmangel entlarvte die Erfolgsmeldungen der kommunistischen Funktionäre als Lügen.

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Weihnachtseinkäufe in der DDR


Wie steht es in diesem Jahr um die Weihnachtsversorgung der DDR-Bevölkerung? Dieser Frage sind die beiden ranghöchsten Ost-Berliner Funktionäre für Handel und Versorgung, ZK-Sekretär Jarowinsky und Minister Briksa, Anfang Dezember in Mecklenburg nachgegangen. Sie besuchten Verkaufsstellen und Warenhäuser, informierten sich über das Angebot und diskutierten mit Verkäufern sowie Kunden über aktuelle Versorgungsfragen. In anderen DDR-Bezirken kümmerten sich hohe Funktionäre in den letzten Wochen ebenfalls sehr engagiert „vor Ort“ um die Versorgungslage.

Offensichtlich nimmt die SED-Führung seit der Polenkrise das Versorgungsproblem besonders ernst. Schließlich weiß sie sehr gut, daß eine stabile Versorgung und ein hoher Lebensstandard maßgeblichen Einfluß auf die innere Stabilität der DDR haben und sogar eine Art „Schutzschild“ gegen den „polnischen Bazillus“ sind. Denn die wirtschaftliche Lage, der eigene Wohlstand und Besitz bestimmen in zunehmendem Maß das Denken und Handeln der Menschen im sozialistischen deutschen Staat. Die „sozialistische Lebensweise“ scheint dagegen immer mehr in den Hintergrund zu treten.

Nervosität statt Fröhlichkeit

Die in Rostock erscheinende „Norddeutsche Zeitung“ befürchtet sogar, daß durch die „Hatz nach Status“ und Besitz das menschliche Zusammenleben in der sozialistischen Gesellschaft mehr und mehr in Mitleidenschaft gezogen wird. „Gerade zur Vorweihnachtszeit fällt auf: Mancher Leute Gedanken kreisen allzusehr um materiellen Standard, den es immer wieder zu überbieten gilt, und auch zu diesen eigentlich schönen Feiertagen werden mehr Sachen als Gedanken ausgetauscht“, klagte das Blatt dieser Tage. Nicht nur die Freundlichkeit schlechthin, auch das Für- und Miteinander verkümmere darüber. Ein hilfreicher Partner sei man dem anderen dann, wenn der „etwas besorgen“ könne. Die Zeitung appellierte an die DDR-Bürger, nicht so „verbissen und mit den Ellenbogen“ die Geschäfte zu stürmen und „Jagd nach Weihnachtsgeschenken“ zu machen. Das bevorstehende Fest sollte „fröhlich stimmen“ und nicht „nervös“ machen.

Schöne Worte, die freilich nicht den Kern treffen, denn die DDR-Bürger jagen vor allem wegen der Versorgungslücken von Geschäft zu Geschäft. Nicht ohne Grund konstatierte ZK-Sekretär Jarowinsky bei seinem „Arbeitsbesuch“ in Mecklenburg, daß es größerer Anstrengungen bedürfe, um das Warenangebot (und die Verkaufsbedingungen) zu verbessern.

Das SED-Politbüro sieht die Lage nicht anders. Auf der Tagung des Zentralkomitees in der vergangenen Woche berichtete es zwar von weiteren Fortschritten bei der Versorgung der Bevölkerung mit neuen hochwertigen Konsumgütern. Doch ermahnte das Politbüro die Betriebe zugleich, für eine bedarfsgerechte Produktion von Konsumgütern und „ein entschieden höheres wissenschaftlichtechnisches Niveau dieser Erzeugnisse zu sorgen“ sowie den „1000 kleinen Dingen“ und der „Sicherung des notwendigen Aufkommens an Ersatzteilen“ größere Aufmerksamkeit zu schenken. Denn trotz beträchtlich gesteigerter Produktion sei es bisher „nicht gelungen, die Versorgung auf wichtigen Gebieten zu stabilisieren“.

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