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Teilerfolg bei Rückkehrzahlungen (14. Dezember 1974)

Während der auf die Ölkrise folgenden Rezession akzeptierten viele türkische Arbeiter aus Furcht vor Abschiebung und in Unkenntnis der deutschen Sozialgesetze die finanziellen Anreize zur Rückkehr in ihr Heimatland, die ihnen von einzelnen Unternehmen wie den Ford-Werken in Köln angeboten wurden.

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In großer Sorge nehmen viele Türken die Abfindung und unterschreiben ihre Kündigung


Bis zu diesem Wochenende haben etwa zweitausend Arbeiter, die meisten von ihnen Türken, in der Autofabrik Ford „freiwillig“ gekündigt. Am 6. Dezember war dem Bundeswirtschaftsminister von den Ford-Werken in Köln fernschriftlich mitgeteilt worden, daß den Mitarbeitern bei freiwilliger Kündigung ein Abfindungsangebot gemacht werde; wegen der schlechten Absatzlage habe man einen Personalüberhang von 4500 bis 5000 Mitarbeitern.

Am Dienstag dieser Woche wurden im Kölner Hauptwerk sowie in zwei kleineren Werken in Düren und Wülfrath Merkblätter verteilt. Darin wird angelernten Arbeitern, Nichtfacharbeitern und Spezialisten angeboten, ihr Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindung von 4500, 6000 oder 7500 Mark zu lösen (die 7500 Mark bei einer mehr als fünfjährigen Mitarbeit). Massenentlassungen wären sonst unvermeidbar, heißt es am Schluß der Information. Das Angebot ist bis zum 15. Januar 1975 befristet. Am Freitag folgte nach Verhandlungen das Angebot zur freiwilligen Kündigung auch für Angestellte; die meisten von ihnen sind Deutsche.

Überrascht registrierte man am Mittwoch und Donnerstag die rasche Reaktion der Arbeiter, die offenbar zugriffen, ohne zu überlegen. Noch am Mittwochmittag hatte man im Verwaltungshochhaus gemeint, daß vor allem die 10 000 im Kölner Werk beschäftigten Türken die Sache erst einmal über Weihnachten in ihren Familien besprechen würden.

Nach der Schicht in einem Ford-Wohnheim für Türken: niemand in einer sich schnell zusammenfindenden Gesprächsrunde hat vorher etwas von dem Abfindungsangebot gewußt, befürchtet worden war es von vielen, seitdem sie von ähnlichen Angeboten in anderen Autofabriken gehört hatten. Deshalb, so ist den Schilderungen zu entnehmen, stieg die Angst in den Wohnheimen wie eine Fieberkurve. Spontan unterschrieb man, weil „alle davon überzeugt sind“, daß bei einer Massenentlassung zuerst die Ausländer gehen müßten.

„Jeden Tag wuchs meine Angst“, sagte der junge Ragip Durmutz, der hier seit zwei Jahren lebt und eigentlich Frau und Kinder nachholen wollte. Er nimmt die 4500 Mark und will bald in die Türkei zurück. Soyen Kadir, 28 Jahre alt, ledig, unterschrieb ebenfalls. Nach vier Jahren bei Ford bekommt er 6000 Mark in die Hand. Außerdem setzt nach kurzer Zeit die Zahlung des Arbeitslosengeldes ein. Darüber weiß er jedoch nicht genau Bescheid. Erst einmal will er „das ganze Geld ausgeben und sich Deutschland ansehen“, dann „nach Hause und als Beamter Arbeit suchen“.

Ein 43jähriger ehemaliger türkischer Gesundheitsbeamter, der zehn Jahre bei Ford arbeitete, aber seinen Namen aus Angst und Scham nicht in der Zeitung gedruckt sehen möchte, unterschrieb das Angebot von 7500 Mark: „Ich gehe wie ein Hund.“ Er beschreibt die letzten Monate als ein Martyrium, weil er am Fließband zu immer höherer Leistung von dem deutschen Meister angetrieben worden sei. Dazu kam die spürbarer werdende Feindseligkeit in der Stadt. „Ich denke, jeden Tag bin ich niedriger geworden.“ Er will, wenn er in der Türkei seine Beamtenstelle nicht wiederbekommt, die große Familie mit der Landwirtschaft durchbringen. Das Geld für einen Traktor habe er zusammen.

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