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Bericht des Neuen Deutschland über eine Diskussion zum Thema Realismus und Formalismus in der Fachschule für angewandte Kunst in Magdeburg (24. April 1951)

Der Bericht über die Diskussion einiger Kunstwerke an der Fachschule für angewandte Kunst in Magdeburg im April 1951 im Neuen Deutschland zeigt die konkreten Auswirkungen stalinistischer Kulturpolitik in der DDR. Ein Friedensplakat genügt den Ansprüchen des „sozialistischen Realismus“ nicht, da es das politische Ziel verfehlt, zum Kampf gegen die „Kriegstreiber“ zu motivieren. Glasfenster und Bucheinbände spiegeln ebenfalls ein mangelndes Verständnis der gesellschaftlichen Wirklichkeit wider und werden als „formalistisch“ verworfen.

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Wer zum Zeichenstift greift, muß ein politischer Mensch werden


In der Fachschule für angewandte Kunst in Magdeburg wurde kürzlich bei einer aufschlußreichen Diskussion der Schüler über Realismus und Formalismus die Erörterung grundlegender Fragen an Hand verschiedener Schülerarbeiten durchgeführt.

Auf einem Entwurf der Fotografen für ein Friedensplakat waren zwei flehend erhobene Hände zu sehen, die den Frieden erbitten. Zu diesem Plakat, das zweifellos zum brennendsten Problem unserer Zeit Stellung nimmt, äußerte der Referent Stadtrat Germer: »Es kommt nicht darauf an zu ergründen, was der Künstler sagen wollte, sondern darauf, was seine Arbeit aussagt. Die flehende Geste der Hände entspricht nicht der wirklichen Situation des Friedenskampfes. Wir wissen durch das Studium der Geschichte, daß man nicht durch Bitten den Frieden erhalten kann. An wen also soll sich die Bitte richten? Die Völker des Sozialismus und der Volksdemokratien brauchen wir nicht darum zu bitten. Sie stehen an der Spitze des Friedenskampfes. Auch die Völker der anderen Länder wollen den Frieden und kämpfen für seine Erhaltung. Nur ein kleines, aber gefährliches Häuflein von Monopolisten, an ihrer Spitze die amerikanischen Wall-Street-Magnaten mit ihren Militärs und Agenten, sind am Kriege interessiert. Sie verdienen Milliarden am Krieg. Sollen wir sie bitten, auf ihre Milliarden im Interesse der Menschheit zu verzichten, im Angesicht der Praxis, die sie uns in Korea demonstrieren? Man muß sie dazu zwingen, indem die friedlichen Menschen der ganzen Welt den Kampf gegen die Kriegsvorbereitungen führen. Die Kräfte des Friedens sind eine reale Macht, und die Verhinderung des Krieges ist möglich. Das Plakat aber verhüllt die wahre Kraft des Weltfriedenslagers und fordert nicht zum Kampf gegen die Kriegstreiber auf.«

Der Künstler hat also einen Fehler gemacht. Ist deshalb seine Arbeit schon formalistisch?

Der Realismus ist nicht nur dadurch gekennzeichnet, daß der Inhalt das Primäre ist – also hier das Verlangen nach dem Frieden – und die Form das Sekundäre – also die Darstellung des Verlangens nach Frieden durch zwei Hände und die Worte »Helft den Frieden zu erhalten« –, sondern dadurch, daß der Inhalt wahr, realistisch sein und die Darstellung das unmißverständlich zum Ausdruck bringen muß. Das Verlangen nach Frieden ist nicht mehr das unerfüllbare Verlangen Millionen einzelner Menschen, sondern die kämpferische Forderung des organisierten Weltfriedenslagers.

Die Formung des Unwahren ist genau so formalistisch, wie die Formung um der Form willen, die ebenfalls vom Unrealen ausgeht.

Das Plakat ist also formalistisch.

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