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Zeitungsbericht über Kinder afroamerikanischer Besatzungsmitglieder (1951)

In den Jahren zwischen 1945 und 1955 werden in Westdeutschland zehntausende von Besatzungskindern geboren, die aus sexuellen Beziehungen zwischen deutschen Frauen und ausländischen Besatzungssoldaten hervorgehen und in der Regel unehelich geboren werden. In mehreren tausend Fällen ist der Vater ein afroamerikanischer GI, so daß dem Kind seine Herkunft sofort anzusehen ist. Der Zeitungsbericht aus dem bayerischen Bamberg beschreibt 1951 einige der dort lebenden „Negerlein“, die als Kleinkinder von ihrer Umwelt noch als „niedlich“ wahrgenommen werden, denen später in Schule und Beruf aber die Konfrontation mit den Vorurteilen der deutschen Gesellschaft droht.

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Drei junge kleine Negerlein ...
In Bamberg Stadt und Land gibt es 42 farbige Kinder


Drei kleine Negerlein – da sitzen sie auf der Kindergarten-Bank. Sie heißen Karl-Heinz oder Gisela oder Monika, und wenn sie ihr kleines Mäulchen auftun, dann plappern sie im reinsten Bamberger Dialekt. Noch schauen ihre schwarzen Augen ohne Mißtrauen in die Welt. Sie ahnen noch nichts von den Schwierigkeiten und von dem Leid, das ihnen wohl nicht erspart werden wird. Doch schon im nächsten Jahr beginnt für diese Kinder, nicht, wie man es oft scherzhaft meint, sondern wirklich der Ernst des Lebens. Die Ältesten – der Jahrgang 1946 – kommen im nächsten Jahr in die Schule. Und wenn sie bisher unter der Pflege der eigenen Mutter, der Pflegeeltern oder der Heimschwestern aufwuchsen, so wird es nun an den Lehrern liegen, die unwissenden Kinder nicht entgelten zu lassen, was man vielleicht den Eltern nicht verzeihen will, und vor allem den Spott und die Lieblosigkeit der Mitschüler nicht zu dulden.

Im Bamberger Stadt- und Landkreis leben insgesamt 42 farbige Kinder. Die meisten davon im Haus der Mutter, die – nach den Erfahrungen des Jugendamtes und der Fürsorgerinnen – mit der gleichen Liebe an ihrem Kind hängt wie jede andere Mutter und die es niemals fortgeben würde. Ein Beweis dafür ist die Tatsache, daß von diesen 42 Kindern nur 6 bei Pflegeeltern – meist Verwandte der Mutter, denen das Kind ans Herz gewachsen ist – und 7 in Kinderheimen untergebracht sind. Ein Kind wurde von einer farbigen, amerikanischen Familie, die sich zur Zeit in Bamberg aufhält, adoptiert.

Bei den Heimkindern handelt es sich allerdings meist um kleine Erdenbürger, die von Mutter und Vater verlassen wurden, und um die sich niemand mehr kümmert. So ist ein Fall bekannt, in dem eine Mutter ihr „Negerln“ an einen vorüberfahrenden Schausteller verkaufte. Bei solchen unmenschlichen Ausschreitungen greift das Jugendamt ein, 21 der Kinder stehen unter Amtsvormundschaft. Die Fürsorgerinnen, in deren Bezirk farbige Kinder aufwachsen, wissen allerlei zu erzählen: Von einem Zwillingspärchen mit kaffeebraunen Gesichtern im Sepplanzug und Dirndlkleid; von einer Mutter, die nur ihr weißes Kind auf den Plärrer führt, und sich des Farbigen schämt; von dem weißen Schwesterchen, das das dunkle Brüderchen schlägt und es „Schwarzer Teufel“ nennt; von den farbigen Vätern, die solange sie hier sind, ihre Kinder mit Schokolade, Apfelsinen und Kleiderpaketen aus Amerika verwöhnen. Allerdings nur dann, wenn die Mutter, auch wenn sie nicht heiraten werden, zu ihnen hält.

In den Kinderheimen sind sich die Kinder unter der sorgsamen und liebevollen Betreuung der Schwestern zunächst noch gar nicht ihrer dunklen Hautfarbe bewußt. Sie sind gutmütig, leicht lenkbar, zutraulich, in vieler Hinsicht naturhafter als die anderen Kinder, stürmisch und temperamentvoll und gegen Unrecht sehr empfindlich.

In einem der Heime, die wir besuchten, haben sich die Kinder gerade zum Nachmittagsschlaf niedergelegt. Ein schwarzer Lockenkopf richtet sich auf, als die Schwester die Türe öffnet, „Schlaf, Hannele, schlaf“, die Stimme der Schwester klingt sanft und beruhigend. Die schwarzen Kulleraugen schließen sich wieder, die Lockenpracht verschwindet unter der Decke. „Hannele ist dreieinhalb Jahre alt“, erzählt die Schwester, „neulich stand sie vor einem Spiegel und betrachtete ihre Händchen und ihr Gesicht. Hinterher war sie traurig.“

In einem anderen Fall, so wird uns berichtet, versuchte ein melancholischer, kleiner Bursche sein Gesicht an der weißen Wand zu färben. Bald wird er entdecken, daß das nichts nützt.

Drei kleine Negerlein ..., noch sitzen sie ahnungslos auf der Bank, spielen mit anderen Kindern und auf der Straße bleiben die Leute stehen und sagen: „Wie niedlich!“ oder starren die Kinder im Stillen mißbilligend, aber doch neugierig an. Bald werden sie älter und dann beginnen die Probleme: Schule – doch vielleicht ist die Klasse froh, am Dreikönigstag einen echten Mohren zu haben – Beruf und Ehe, die menschliche Gemeinschaft. Man mag nicht so recht daran denken. Vielleicht wäre es besser, sie blieben immer so klein...



Quelle: Neues Volksblatt, Nr. 8, 20. Januar 1951, S. 5

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