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Gesetz über die Gleichberechtigung von Mann und Frau auf dem Gebiete des bürgerlichen Rechts (18. Juni 1957)

Das sich wandelnde Rollenbild in der Nachkriegsgesellschaft ebnet auch in der Bundesrepublik der rechtlichen Gleichstellung von Männern und Frauen den Weg. 1957 wird der entsprechende Grundgesetz-Artikel von 1949 durch die Änderung der ehe- und familienrechtlichen Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) mit Inhalt gefüllt. Die Neufassung des BGB gewährt der Frau erstmals das Recht auf Berufstätigkeit, wenn auch nicht als Regelfall, belässt in die Ehe eingebrachtes Vermögen im Besitz der Frau und stärkt ihre Stellung bei der Ausübung der elterlichen Gewalt. Allerdings ist der Familienname weiterhin automatisch der des Mannes, und im Fall von Erziehungskonflikten behält der Vater ein Letztentscheidungsrecht.

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Artikel 1. Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs

Das Bürgerliche Gesetzbuch wird wie folgt geändert:

§ 1355. Der Ehe- und Familienname ist der Name des Mannes. Die Frau ist berechtigt, durch Erklärung gegenüber dem Standesbeamten dem Namen des Mannes ihren Mädchennamen hinzuzufügen; die Erklärung muß öffentlich beglaubigt werden.

§ 1356. Die Frau führt den Haushalt in eigener Verantwortung. Sie ist berechtigt, erwerbstätig zu sein, soweit dies mit ihren Pflichten in Ehe und Familie vereinbar ist.
Jeder Ehegatte ist verpflichtet, im Beruf oder Geschäft des anderen Ehegatten mitzuarbeiten, soweit dies nach den Verhältnissen, in denen die Ehegatten leben, üblich ist.

§ 1357. Die Frau ist berechtigt, Geschäfte, die innerhalb ihres häuslichen Wirkungskreises liegen, mit Wirkung für den Mann zu besorgen. Aus Rechtsgeschäften, die sie innerhalb dieses Wirkungskreises vornimmt, wird der Mann berechtigt und verpflichtet, es sei denn, daß sich aus den Umständen etwas anderes ergibt; ist der Mann nicht zahlungsfähig, so wird auch die Frau verpflichtet.
Der Mann kann die Berechtigung der Frau, Geschäfte mit Wirkung für ihn zu besorgen, beschränken oder ausschließen; besteht für die Beschränkung oder Ausschließung kein ausreichender Grund, so hat das Vormundschaftsgericht sie auf Antrag der Frau aufzuheben. Dritten gegenüber wirkt die Beschränkung oder Ausschließung nur nach Maßgabe des § 1412.

[ . . . ]

§ 1360. Die Ehegatten sind einander verpflichtet, durch ihre Arbeit und mit ihrem Vermögen die Familie angemessen zu unterhalten. Die Frau erfüllt ihre Verpflichtung, durch Arbeit zum Unterhalt der Familie beizutragen, in der Regel durch die Führung des Haushalts; zu einer Erwerbstätigkeit ist sie nur verpflichtet, soweit die Arbeitskraft des Mannes und die Einkünfte der Ehegatten zum Unterhalt der Familie nicht ausreichen und es den Verhältnissen der Ehegatten auch nicht entspricht, daß sie den Stamm ihrer Vermögen verwerten. [ . . . ]

§ 1363. Die Ehegatten leben im Güterstand der Zugewinngemeinschaft, wenn sie nicht durch Ehevertrag etwas anderes vereinbaren.
Das Vermögen des Mannes und das Vermögen der Frau werden nicht gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten; dies gilt auch für Vermögen, das ein Ehegatte nach der Eheschließung erwirbt. Der Zugewinn, den die Ehegatten in der Ehe erzielen, wird jedoch ausgeglichen, wenn die Zugewinngemeinschaft endet. [ . . . ]

§ 1627. Die Eltern haben die elterliche Gewalt in eigener Verantwortung und in gegenseitigem Einvernehmen zum Wohle des Kindes auszuüben. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen sie versuchen, sich zu einigen.

§ 1628. Können sich die Eltern nicht einigen, so entscheidet der Vater; er hat auf die Auffassung der Mutter Rücksicht zu nehmen.
Das Vormundschaftsgericht kann der Mutter auf Antrag die Entscheidung einer einzelnen Angelegenheit oder einer bestimmten Art von Angelegenheiten übertragen, wenn das Verhalten des Vaters in einer Angelegenheit von besonderer Bedeutung dem Wohle des Kindes widerspricht oder wenn die ordnungsmäßige Verwaltung des Kindesvermögens dies erfordert.
Verletzt der Vater beharrlich seine Verpflichtung, bei Meinungsverschiedenheiten den Versuch einer gütlichen Einigung zu machen und bei seinen Entscheidungen auf die Auffassung der Mutter Rücksicht zu nehmen, so kann das Vormundschaftsgericht der Mutter auf Antrag die Entscheidung in den persönlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten des Kindes übertragen, wenn dies dem Wohle des Kindes entspricht.

§ 1629. Die Vertretung des Kindes steht dem Vater zu; die Mutter vertritt das Kind, soweit sie die elterliche Gewalt allein ausübt oder ihr die Entscheidung nach § 1628 Abs. 2, 3 übertragen ist.
Der Vater und die Mutter können das Kind insoweit nicht vertreten, als nach § 1795 ein Vormund von der Vertretung des Kindes ausgeschlossen ist; ein Elternteil kann jedoch Unterhaltsansprüche des Kindes gegen den anderen Elternteil geltend machen, wenn die Eltern getrennt leben. Das Vormundschaftsgericht kann dem Vater und der Mutter nach § 1796 die Vertretung entziehen. [ . . . ]

§ 1634. Ein Elternteil, dem die Sorge für die Person des Kindes nicht zusteht, behält die Befugnis, mit ihm persönlich zu verkehren.
Das Vormundschaftsgericht kann den Verkehr näher regeln. Es kann ihn für eine bestimmte Zeit oder dauernd ausschließen, wenn dies zum Wohle des Kindes erforderlich ist. [ . . . ]



Quelle: Bundesgesetzblatt, 1957. Bd. 1. S. 609-25; abgedruckt in Merith Niehuss und Ulrike Linder, Hg., Besatzungszeit, Bundesrepublik und DDR, 1945-1969. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 10. Stuttgart: P. Reclam, 1998, S. 273-75.

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