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Anordnung über die Programmgestaltung bei Unterhaltungs- und Tanzmusik (2. Januar 1958)

Im Januar 1958 legen neue Richtlinien der DDR-Regierung über die Programmgestaltung von Unterhaltungs- und Tanzmusik im Rundfunk und bei Konzerten fest, daß mindestens 60 Prozent der gespielten Stücke von ostdeutschen Komponisten oder Komponisten aus anderen sozialistischen Staaten stammen müssen. Neben dem ideologischen Aspekt der Beschränkung „bürgerlich-dekadenter“ Kunstformen spielt dabei auch der Mangel an Devisen für Tantiemen westlicher Komponisten eine Rolle.

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Um in der Gestaltung eines sozialistischen Kulturlebens das Niveau der Unterhaltungs- und Tanzmusik zu heben, Erscheinungen der Dekadenz und des Verfalls zu bekämpfen sowie das Schaffen der Autoren der Deutschen Demokratischen Republik zu fördern und unangemessene Devisenverpflichtungen zu verhindern, wird im Einvernehmen mit dem Minister der Justiz und dem Minister der Finanzen folgendes angeordnet:

§ 1 (1) Bei allen Veranstaltungen von Unterhaltungs- und Tanzmusik ist das Programm derart zu gestalten, daß mindestens 60 Prozent aller aufgeführten Werke von Komponisten geschaffen sind, die ihren Wohnsitz in der Deutschen Demokratischen Republik, der Sowjetunion oder den Volksdemokratien haben. Diese Werke dürfen auch nicht in Verlagen außerhalb der angeführten Gebiete erstmalig erschienen sein. Bei Unterhaltungsmusik dürfen im Rahmen des oben angegebenen Prozentsatzes auch solche Werke aufgeführt werden, für die die gesetzliche Schutzfrist abgelaufen ist.

(2) Veranstaltungen im Sinne dieser Anordnung sind alle öffentlichen Aufführungen einschließlich derer in Gaststätten, bei Sportveranstaltungen, in Kulturparks, auf Vergnügungsstätten, in Varietés und Zirkussen, bei Werbeveranstaltungen sowie alle Veranstaltungen von Organisationen, Betrieben, Vereinigungen und in Klub- oder Kulturhäusern. Öffentliche mechanische Wiedergaben, wie das Abspielen von Schallplatten und Tonbändern, gehören ebenfalls zu dieser Art von Veranstaltungen, desgleichen die Sendungen des Stadt-, Bäder- und Zugfunks.

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§ 3 (1) Wer als Verantwortlicher für die Programmgestaltung vorsätzlich oder fahrlässig den Bestimmungen des § 1 Abs. 1 oder 2 zuwiderhandelt, kann mit einer Ordnungsstrafe bis zu 500,– DM bestraft werden.

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§ 4 Unabhängig von der Verhängung einer Ordnungsstrafe kann Berufsmusikern bei mehrmaliger Zuwiderhandlung gegen § 1 Abs. 1 oder 2 der Berufsausweis nach den Bestimmungen der Anordnung vom 9. September 1955 über die Ausstellung von Berufsausweisen zur hauptberuflichen Ausübung von Unterhaltungs- und Tanzmusik (GBl. I, S. 660) entzogen werden. Nebenberufliche Musiker können in derartigen Fällen von der Vermittlung durch die Musikvermittlung ausgeschlossen werden.

§ 5 Diese Anordnung tritt einen Monat nach ihrer Verkündung in Kraft.



Quelle: Gesetzblatt der Deutschen Demokratischen Republik, Teil I, 1958, S. 38; abgedruckt in E.Schubbe, Hg., Dokumente zur Kunst-, Literatur- und Kulturpolitik der SED. Stuttgart: Seewald Verlag, 1972

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