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Die Apokalypse vor Ort – Die Zerstörung Magdeburgs (1631)

Als König Gustav II. Adolf von Schweden mit seinen Truppen im Juni 1630 auf deutschem Gebiet landete, sahen die Befehlshaber der katholischen Streitkräfte Magdeburg an der Elbe als besten Stützpunkt an, um ihre nördlichen Gebietsgewinne zu verteidigen, Sachsen und Brandenburg im Auge zu behalten sowie den Weg nach Süden für die schwedischen Truppen zu blockieren. Magdeburg war Sitz eines säkularisierten Erzbistums und protestantisch. Ende März 1631 zogen die katholischen Befehlshaber ihre etwa 40.000 Mann starken Truppen vor Magdeburg zusammen, und am 20. Mai des Jahres begann der Sturm auf die Stadt. Unter der Führung von Graf Gottfried Heinrich von Pappenheim durchbrachen die Truppen die Stadtmauer und drangen in die Stadt ein. Während unübersichtlicher und ungeregelter Straßenkämpfe verlor er die Kontrolle über seine Soldaten und der Kommandant der Garnison, Dietrich von Falkenberg, fiel. Die Stadt geriet in Brand, und die angreifenden Truppen plünderten und mordeten willkürlich. Ein Großteil der Stadt fiel den Flammen zum Opfer und geschätzte zwei Drittel der 30.000 Einwohner Magdeburg starben entweder während der Kämpfe oder in deren Folge.

Die Nachricht von der Zerstörung Magdeburgs verbreitete sich im protestantischen Europa wie ein Lauffeuer. Berichte der Tragödie wurden in mindestens zwanzig verschiedenen Rundbriefen, fast 250 Flugblättern sowie gedruckten Predigten, Versen und mindestens einem Bühnenstück mitgeteilt. Eine unmittelbare Konsequenz der Zerstörung Magdeburgs war das Bündnis des Kurfürsten von Brandenburg mit Gustav Adolph, doch die moralischen Auswirkungen waren sicherlich ebenso bedeutend. Bitterkeit und Entsetzen stärkten den protestantischen Wunsch nach Vergeltung, und der Begriff „Magdeburger Quartier“ (keine Gnade) wurde zum bekannten Schlachtruf. Der bekannteste Augenzeugenbericht der Zerstörung Magdeburgs stammt aus einer Chronik des Magdeburger Bürgermeisters Otto Guericke (1602-86), aus der hier einige Auszüge wiedergegeben sind.

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Als nun gedachter maßen durch den General Pappenheim (1) eine ziemliche Anzahl Volkes auf den Wall bei der Reustadt und da herum in die Gassen der Stadt gebracht, auch der von Falckenberg (2) erschossen und das Feuer an allen Enden eingelegt worden, da ist es mit der Stadt geschehen und alle Resistenz zu spät und vergebens gewesen. Denn ob sich gleich von Bürgern und Soldaten an etlichen Orten etwas wieder gesetzt und zur Wehr gestellt, haben doch die Kaiserlichen indessen immer mehr und mehr Volkes, auch Reiterei genug – weil der Graben auf der Spitze dieses Bollwerks noch nicht ausgearbeitet und der neue Wall sehr flach, also daß sie auch darüber in die Stadt reiten können – zu Hilfe gekriegt, endlich das Kröckenthor eröffnet und also die ganze Armee der kaiserlichen und katholischen Liga von Hungarn, Croaten, Polacken, Heyducken, Italianern, Hispaniarden, Franzosen, Wallonen, Nieder- und Oberdeutschen etc. hier eingelassen. Da ist es geschehen, daß die Stadt mit allen ihren Einwohnern in die Hände und Gewaltsamkeit ihrer Feinde gerathen – die denn alle heftig und grausam, theils aus gemeinem Haß gegen die augsburgischen Confessions-Verwandten, theils daß man mit Drathkugeln geschossen und sonst etwa von den Wällen, wie es zu gehen pflegt, geschmählet (3), erzürnt und erbittert gewesen. – Da ist nichts als Morden, Brennen, Plündern, Peinigen, Prügeln gewesen. Insonderheit hat ein Jeder von den Feinden nach vieler und großer Beute gefraget. Wenn dann eine solche Partei in ein Haus gekommen, und der Herr etwas zu geben vermocht gehabt, hat er sich und die Seinigen so lang salviren und erhalten können, bis eine andere, die auch was haben wollen, wieder angekommen. Endlich aber, wenn es alles hingegeben und nichts mehr vorhanden gewesen, alsdann ist die Noth erst angegangen. Da haben sie angefangen zu prügeln, ängstigen, gedrohet zu erschießen, spießen, henken etc., daß, wenn’s gleich unter die Erde vergraben oder in tausend Schlössern verschlossen gewesen, die Leute dennoch hervorsuchen und herausgeben müssen. Unter welcher währenden Wütherei dann, und da diese so herrliche, große Stadt, die gleichsam eine Fürstinn im ganzen Lande war, in voller brennender Gluth und solchem großen Jammer und unaussprechlicher Noth und Herzeleid gestanden, sind mit gräulichem ängstlichen Mord- und Zetergeschrei viel tausend unschuldige Menschen, Weiber und Kinder kläglich ermordet und auf vielerhand Weise erbärmlich hingerichtet worden, also daß es mit Worten nicht genugsam kann beschrieben und mit Thränen beweint werden.

Es hat aber diese trübselige Zeit nicht viel über zwei Stunden lang in der Stadt gewähret, indem durch den unversehens zustoßenden Wind das Feuer – so zwar anfangs der Graf von Pappenheim, den Bürgern und Einwohnern zur Perturbation und Schrecken einzulegen solle befohlen, nachmals aber die gemeine Soldatesque hierin keine Discretion und Aufhören gewußt haben – dergestalt überhand genommen, daß um 10 Uhr Vormittags alles im Feuer gestanden, und um 10 Uhr gegen die Nacht die ganze Stadt, zusammt dem schönen Rathhause und allen Kirchen und Klöstern, völlig in der Aschen und Steinhaufen gelegen. Daher denn das kaiserliche Kriegesvolk, wenn es nicht selbst verbrennen wollen, wiederum aus der Stadt entweichen und sich in ihre Feldlager retiriren müssen.



(1) Gottfried Heinrich Graf von Pappenheim (1594–1632), kaiserlicher Heerführer. Alle Fußnoten stammen aus: Bernd Roeck, Hg., Gegenreformation und Dreißigjähriger Krieg 1555-1648. Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung, herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 4. Stuttgart: P. Reclam, 1996, S. 296-301.
(2) Dietrich von Falkenberg (gest. 1631), schwedischer Kommandeur in Magdeburg.
(3) Geschmäht.

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