GHDI logo


Der Reformator als Sohn – Luther und seine Mutter (20. Mai 1531)

Margarethe Luther (geborene Lindemann, 1460-1531) stammte aus einer Eisenacher Familie der Mittelschicht. Sie heiratete Hans Luder, einen Bergmann und Kupferschmelzer, und zog 1482 mit ihm nach Eisleben. Dort gebar sie 1483 einen Sohn, Martin, der später seine inzwischen berühmten 95 Thesen verfassen sollte. Am 20. Mai 1531 schrieb Luther einen Brief an seine Mutter, nachdem er erfahren hatte, dass sie ernsthaft erkrankt war. Es handelt sich weniger um den Brief eines Sohnes als den eines Pastors, gleichsam eine knappe theologische Abhandlung, in welcher er seine Mutter drängt, Gott für ihre Errettung vom falschen (römischen) Glauben zu danken und dafür, ihr das wahre Wort Gottes und die Hoffnung auf Erlösung gebracht zu haben.

Druckfassung     Dokumenten-Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument

Seite 1 von 2


Martin Luther an seine Mutter Margarethe verw. Luther.
[Wittenberg,] 20. Mai 1531.


Gnad und Friede in Christo Jesu, unserm Herrn und Heiland, Amen.

Mein herzliebe Mutter! Ich hab die Schrift meines Bruders Jacobs von Euer Krankheit empfangen, und ist mir ja herzlich leid, sonderlich daß ich nicht kann leiblich bei Euch sein, wie ich wohl gerne wäre; aber doch erscheine ich hie mit dieser Schrift leiblich, und will ja nicht von Euch sein geistlich, sampt allen den Unsern.

Wiewohl ich aber hoffe, daß Euer Herz ohn das längest und reichlich gnug unterricht, und (Gott Lob) sein tröstlich Wort wohl innen habt, dazu mit Predigern und Tröstern allenthalben versorget seid, so will ich doch das Meine auch tun und meiner Pflicht nach mich Euer Kind und Euch für meine Mutter erkennen, wie unser beider Gott und Schöpfer uns gemacht und gegen einander verpflicht hat, damit ich zugleich den Haufen Euer Tröster vermehre.

Erstlich, liebe Mutter, wisset Ihr von Gottes Gnaden nu wohl, daß Euer Krankheit seine väterliche gnädige Rute ist, und gar ein geringe Rute gegen die, so er uber die Gottlosen, ja auch oft uber seine eigene liebe Kinder schickt, da einer geköpft, der ander verbrannt, der dritte ertränkt wird, und so fortan, daß wir allesampt müssen singen: Wir werden um deinen willen täglich getötet und sind gleich wie die Schlachtschafe. Darumb Euch solche Krankheit nicht soll betrüben noch bekümmern, sondern sollet sie mit Dank annehmen, als von seiner Gnaden zugeschickt, angesehen, wie gar ein geringes Leiden es ist, wenn es gleich zum Tode oder Sterben sollt, gegen das Leiden seines eigen lieben Sohns, unsers Herrn Jesu Christi, welches er nicht für sich selbs, wie wir, leiden müssen, sondern für uns und unser Sünde erlitten hat.

Zum andern wisset Ihr, liebe Mutter, auch das rechte Häuptstück und Grund Euer Seligkeit, worauf Ihr Euren Trost setzen sollt in dieser und allen Nöten, nämlich den Eckstein, Jesum Christum, der uns nicht wanken noch feilen wird, auch uns nicht sinken noch untergehen lassen kann. Denn er ist der Heiland und heißt der Heiland aller armen Sünder und aller, die in Not und Tod stecken, so auf ihn sich verlassen und seinen Namen anrufen.

Er spricht: Seid getrost, ich hab die Welt uberwunden. Hat er die Welt uberwunden, so hat er auch gewißlich den Fürsten der Welt mit aller seiner Macht uberwunden. Was ist aber seine Macht anders denn der Tod, damit er uns unter sich geworfen, umb unser Sünde willen gefangen hatte? Aber nu der Tod und Sünde uberwunden ist, mügen wir fröhlich und tröstlich das süße Wort hören: Seid getrost, ich hab die Welt uberwunden. Und sollen ja nicht zweifeln, es sei gewißlich wahr, und nicht allein das, sondern uns wird auch geboten, daß wir sollen mit Freuden uns solches Trosts annehmen und mit aller Danksagung. Und wer sich solche Wort nicht wollt trösten lassen, der tät dem lieben Tröster Unrecht und die größte Unehre, gleich als wäre es nicht wahr, daß er uns heißt getrost sein, oder als wäre es nicht wahr, daß er die Welt hätte uberwunden, damit wir den uberwunden Teufel, Sünde und Tod uns selbs wieder zum Tyrannen stärken wider den lieben Heiland, da uns Gott fur behüte.

Derhalben mügen wir nu mit aller Sicherheit und Freudigkeit uns freuen, und wo uns will etwa ein Gedanken von der Sünde oder Tod erschrecken, wir dagegen unser Herz erheben und sagen: Siehe, liebe Seele, wie tust du? Lieber Tod, liebe Sünde, wie lebest du und schreckest mich? Weißt du nicht, daß du uberwunden, und du, Tod, gar tot bist? Kennest du nicht einen, der von dir sagt: Ich hab die Welt uberwunden? Mir gebührt nicht dein Schrecken zu hören, noch anzunehmen, sondern die Trostwort meines Heilands: Seid getrost, seid getrost, ich hab die Welt uberwunden.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite