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Das (Steuer- und) Urbarialpatent Kaiser Josephs II. (1789)

Diese drastische Rechtsvorschrift, ideologisch gerechtfertigt durch die Aufklärungskritik an den fortdauernden Resten des „Feudalismus“, beabsichtigte, die nicht-monetären Renten (Arbeitsdienste, Naturalienabgaben) der untertänigen Bauern mit Geldzahlungen an ihre Feudalherren zu ersetzen. Sie suchte einerseits, den Anteil der Grundherren am bäuerlichen Landwirtschaftsüberschuss zu begrenzen und andererseits die Steuern zu erhöhen, die sowohl von adligen Grundbesitzern als auch von Dorfbauern bezahlt wurden. In dieser Hinsicht ging die Anordnung einen Schritt über die höheren direkten Steuern hinaus, die dem Landadel seit 1749 auferlegt worden war. Dieses Patent von 1789, das Joseph II. selbst im Königreich Böhmen einzuführen drohte, entfachte einen fundamentalen Protest seitens der feudalherrschaftlichen Klasse und wurde nie erfolgreich umgesetzt. Leopold II. nahm es nach Josephs Tod 1790 zurück im Gegenzug für die Akzeptanz der übrigen josephinischen Reformen durch die privilegierten Klassen.

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Das (Steuer- und) Urbarialpatent vom 10. Februar 1789


[ . . . ]

Der Endzweck des Staats, durch eine verhältnißmässige Untertheilung der Grundabgaben die Gleichheit herzustellen, und dadurch die Grundbesitzer in Kräften zu erhalten, daß sie ihre Bürgerpflichten ohne Beschwerlichkeit tragen, und ihre Aemsigkeit nicht bloß fortzusetzen fähig seyn, sondern auch zu vermehren angeeifert werden sollen, könnte niemals erreicht werden, wenn nicht zu gleicher Zeit denjenigen Unterthanen, welche die Last oder Forderungen ihrer Grund, Vogt, und Zehendherrn zu schwer drückt, Erleichterung verschafft würde.

10. So sehr Wir demnach entfernt sind, in das Eigenthumsrecht der Obrigkeiten willkürlich einzugreifen, oder diejenigen Ursachen, Gewohnheiten oder Verträge zu untersuchen, von welchen die bisherigen Frohn- Geld- und Naturalienentrichtungen, und die zum Theile in Abgaben bei Sterb, und Veränderungsfällen bestehenden so genannten Unterthansgiebigkeiten abgeleitet werden; so fordert doch die Pflicht, durch welche Wir über die Erhaltung des Ganzen zu wachen verbunden sind, daß da, wo die bisherigen Giebigkeiten an die Obrigkeiten, die aus Grund und Boden ziehende Vermögenskräffte des Unterthans übersteigen, ein billiges Ziel und unabweichliche Schranken gesetzt werden. In dieser Absicht, und da durch die vorausgegangenen Anstalten der blosse Bruttoertrag erhoben, mithin weder Saamen, noch die baaren Kulturkosten abgerechnet worden, überdieß der Grundbesitzer noch den eigenen und seiner Familie Unterhalt, die Gemeindeauslagen und die Entrichtungen an die Seelsorger und Schullehrer besonders zu tragen hat, so setzen Wir zum allgemeinen Maßstabe hiermit fest: daß dem Unterthan zur Bestreitung dieser Erfordernisse von dem satirten und kontrollirten Bruttoertrage im Durchschnitte wenigstens 70 Gulden vom Hundert freygelassen werden, und nur die übrigen 30 vom Hundert sollen zu Bedeckung der [ . . . ] landesfürstlichen Grundsteuer, und Abtragung der obrigkeitlichen Forderungen, für die erstere, [ . . . ] mit 12 fl. 13 1/3 kr., für die letztere mit 17 fl. 46 2/3 kr., und zwar auf solche Art gewidmet werden, daß unter diesen 17 fl. 46 2/3 kr. alles begriffen sei, was der Unterthan seinem Grundvogte und Zehendherrn zu leisten hat, es sey in Baarem, oder an den nach Geld berechneten Naturalien, Zug- und Handfrohnen, wie auch an den in einigen Provinzen üblichen Taren, Sterb- und Veränderungsgefällen, welche letztere nur in so weit, als sie Realität und Gewerbe betreffen, nach einem Mittel von 20 Jahren anzuschlagen, und sonach in eine bestimmte, jährliche Zinsgiebigkeit zu verwandeln sind.

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