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Die türkische Niederlage von Wien (12. September 1683)

Dieser Augenzeugenbericht, der einem englischen Flugblatt von 1683 entnommen ist, gibt einen lebensnahen Eindruck vom Krieg der Christen gegen die Türken im Mitteleuropa des 17. Jahrhunderts. Der Text macht deutlich, dass der polnische König Jan Sobieski durch das Brechen der türkischen Belagerung, welche die Habsburgischen Truppen in Wien festgesetzt hatte, großen Ruhm erlangte (wenngleich der österreichische Widerstand bereits vorher an den Kräften der türkischen Truppen gezehrt hatte). In diesem Bericht spiegelt das Zusammenspiel von aristokratisch-dynastischer und ethnisch-kultureller Sprache die Sichtweise des europäischen Christentums auf derartige Kriegshandlungen wieder.

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Ein wahrer und genauer Bericht über die Aufhebung der Belagerung von Wien und den über das osmanische Heer errungenen Sieg, den 12. September 1683.


Nach einer Belagerung von 60 Tagen, begleitet von tausend Schwierigkeiten, Krankheiten, Mangel an Vorräten und großem Blutvergießen, nach Millionen von Kanonen- und Musketenschüssen, Granatangriffen und allerlei Feuerwerken, die das Angesicht der schönsten und blühendsten Stadt in der Welt verändert, den Großteil ihrer besten Paläste und besonders diejenigen des Kaisers entstellt und ruiniert haben; und an vielen Stellen den schönen Turm und die Kirche zu Sankt Stephan beschädigten, zusammen mit vielen weiteren prächtigen Gebäuden. Nach einem so energischen Widerstand und dem Verlust so vieler tapferer Offiziere und Soldaten, deren Heldenmut und Tapferkeit unsterblichen Ruhm verdienen. Nach so vielen erduldeten Mühen, so vielen Wachen und so vielen Befehlen, die Graf Starhemberg so umsichtig verteilte und die so pünktlich von den anderen Offizieren ausgeführt wurden.

Nach so vielen Verschanzungswerken, Palisadenbauten, Brüstungen, neuen Gräben in den Vorschanzen, Basteien, Kurtinen und Hauptstraßen und Häusern in der Stadt: Endlich, nach einer tatkräftigen Verteidigung und einem Widerstand ohnegleichen, erhörte der Himmel wohlwollend die Gebete und Tränen eines niedergeschlagenen und traurigen Volkes und erwiderte den Schrecken gegenüber einem mächtigen Feind und trieb von den Mauern Wiens ihn, der es seit dem letzten 15. Juli frühmorgens bis zum 12. September so heftig mit 200.000 Mann angegriffen hatte; und es durch endloses Graben, Ausheben und Verminen fast zum letzten Atemzug geschröpft hatte.

Graf Starhemberg, der diese große Last ertrug, unterstützt von so vielen wackeren Offizieren, hatte dem christlichen Heer durch Musketenschüsse vom Turm des Stephansdom von der größten Not kundgetan, in welche die Stadt gebracht worden war. Und so entdeckten sie am 12. dieses Monats frühmorgens die christlichen Truppen, die vom nahe gelegenen Kahlenberg herabmarschierten, und hörten andauernd ihr Geschützfeuer gegen die Türken, die – dorthin vorgerückt – mit Erd- und Steinwällen befestigt waren, um das Heruntermarschieren des christlichen Heeres von den Bergen zu hemmen, das dennoch voranmarschierte. Die Vorhut der Reiterei und Fußsoldaten, unterstützt von der polnischen Reiterei, lieferte sich ein langes Gefecht mit den Türken, die jeden Fußbreit Boden verteidigten; doch als diese sich von den christlichen Streitkräften völlig besiegt sahen, welche die Schwierigkeiten der Berge überwunden und ihre Geschütze ihnen zum Trotz hinabgezogen hatten, wichen sie vom Kampf zurück und überließen den Christen all ihre Lager voller Pavillons, Zelte, Kasernen und acht Geschützen (mit denen sie vier Tage zuvor eine Batterie auf jener Seite aufgestellt hatten) und zogen sich zu ihrem Hauptlager zwischen den Dörfern Hernals, Ottakring und Hietzing zurück; doch als sie an der Mölker Bastei vorbeikamen, feuerten sie ihre Geschütze wütend auf sie: Die Christen, hingerissen vom Sieg, verfolgten sie mit solchem Eifer, dass sie nicht nur ihre großen Lager aufgeben mussten, sondern ebenso alle anderen, und Richtung Ungarn flohen: und wäre die Nacht nicht hereingebrochen, ist es gewiss, dass sie das osmanische Heer vollständig besiegt und in die Flucht geschlagen hätten.

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