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Eine Denkschrift des Grafen Johann Anton Pergen an den österreichischen Mitregenten Joseph II. darüber, welchen „Werth der Besitz der Kaysercrone” für das Haus Österreich habe (1766)

Johann Anton Pergen, ein erfahrener Diplomat und hoher Beamter im österreichischen Staatsdienst, antwortet auf die Anfrage Josephs II. bei seinen obersten Ministern, wie der Wert der kaiserlichen Macht für die Habsburgermonarchie zu stärken sei. Wenngleich Pergen die Grenzen der kaiserlichen Macht und die Schwächen des Reiches anerkennt, betrachtet er den Besitz der Kaiserkrone als einen greifbaren Vorteil für Österreich bei seinen diplomatischen und militärischen Aktionen. Die kaiserliche Macht ermöglichte es Österreich beispielsweise, frei gewordene Lehen an sich selbst oder seine Vasallen zu verteilen sowie im gesamten Reich, nicht nur in seinem eigenen Hoheitsgebiet, legal Truppen anzuwerben.

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1mo: Ob, und von was für einen Werth der Besitz der Kaysercrone für einen Reichsstand überhaupt seye?

Ad 1mum: Daß die Kaysercrone das vorzüglichste Kleinod eines jeden Reichsstand seye, so dieselbe zu erlangen das Glück hat, wird wohl niemand bezweifelen, wann er in Betrachtung ziehet, was für ein überwiegendes Ansehen und Gewalt der kays. Würde so wohl in der Eigenschaft eines obristen Richters, als eines Oberhaupts über so viele zum Theil mit fremden Cronen prangende mächtige Stände anklebet, und was für übergrose Vorzüge einem Römischen Kayser, als dem ersten Haupt in der Christenheit über andere auswärtige Cronen gebühren, dererjenigen weesentlichen Vortheilen zu geschweigen, welche bekanntlich aus einem solchen Ansehen nothwendig fließen, und wovon der Beweiß an seiner Stelle weitläufiger wird beygebracht werden. Wann nun die Beantwortung dieser ersten Frage auf allzuoffenkündigen Wahrheiten beruhet, um sich dabey aufzuhalten, so seynd

2do: ob, und aus was für Beweggründen selbe für das Durchläuchtigste Erzhauß für unschäzbar angesehen werden müße?

Ad 2dum: Die wichtigste Beweggründe beyhanden, durch welche überzeigend dargethan werden kann, daß die Kaysercrone die Quelle des Flor- und Aufnahms des Durchl. Erzhaußes ursprünglich geweßen, die Stüze deßen Gröse, Macht und Ansehen bishero abgegeben habe, und die Beybehaltung derselben dermalen unentbehrlich geworden seye; die Geschichte belehret jedermänniglich, wie die Macht des Durchl. Erzhaußes stuffenweise angewachsen, und zeiget, daß die Zierde der Kaysercrone solche von Zeit zu Zeit befestiget habe. Die unschäzbare Privilegia, Freyheiten und Vorzüglichkeiten, mit welchen Oesterreich vor allen anderen Ständen des Reichs glänzet, haben dieses Durchl. Hauß von denen grösten Beschwerlichkeiten der Teutschen societätsmäsigen Bundnüß loßgezehlet, und zu gleicher Zeit den Genuß derer daraus entspringenden Vortheilen erleichteret. Je wichtiger nun dieser das Ansehen des Durchl. Erzhaußes bestimmender Unterschied, und Vorzug vor allen anderen mächtigen Teutschen Häußern in sich selbst ist, so sicherer last sich der Schluß machen, daß eben diese Privilegia ohne den Besitz der Kaysercrone nicht zu behaupten stünden, und anmit deßen Beybehaltung gleichsam ohnentberlich geworden ist. Der kurze Zeitpunct der Regierung Carl des Siebenden ruhet annoch in allzufrischen Andenken, um von obangeführten Betrachtungen nicht überzeiget zu seyn.

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