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Kulturelle Repression durch das Zentralkomitee der SED (Dezember 1965)

Da Honecker über die Unruhe, welche die vorhergegangene Liberalisierung mit sich gebracht hatte, entsetzt war, griff die SED unter seiner Führung erneut zu einer unnachgiebigen Politik: Forderungen nach Meinungsfreiheit und kulturellen Experimenten wurden zurückgewiesen, die Zensur der Literatur verstärkt und ein deutliches ideologisches Bekenntnis zum Sozialismus eingefordert.

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Bericht an das Zentralkomitee der SED


[ . . . ] Es ist ein historisches Verdienst unserer Partei, daß sie in den 20 Jahren ihres Bestehens den Weg zur sozialistischen Nationalkultur gemeinsam mit der überwiegenden Mehrheit der Intelligenz der DDR ausgearbeitet und beschritten hat. In der gegenwärtigen Etappe des umfassenden Aufbaues des Sozialismus stehen vor den Künstlern größere Aufgaben. Es geht um die Bereicherung des Lebens und Weltbildes der sozialistischen Menschen, um die Darstellung der Kämpfe und Siege, der Konflikte und ihrer Lösungen in der sozialistischen Gesellschaft. Kunst und Literatur können mit ihren spezifischen Mitteln die Schöpferkraft der Menschen in der sozialistischen Gesellschaft entwickeln helfen. Das erfordert aber in allen Bereichen der Kunst den entschiedenen Kampf gegen das Alte und Rückständige aus der kapitalistischen Vergangenheit und gegen die Einflüsse der kapitalistischen Unkultur und Unmoral, wie sie in der amerikanischen Sex-Propaganda und der Verherrlichung des Banditentums zum Ausdruck kommen.

Ein sauberer Staat mit unverrückbaren Maßstäben

Unsere DDR ist ein sauberer Staat. In ihr gibt es unverrückbare Maßstäbe der Ethik und Moral, für Anstand und gute Sitte. Unsere Partei tritt entschieden gegen die von den Imperialisten betriebene Propaganda der Unmoral auf, die das Ziel verfolgt, dem Sozialismus Schaden zuzufügen. Dabei befinden wir uns in voller Übereinstimmung mit der Bevölkerung der DDR und der überwiegenden Mehrheit der Menschen in Westdeutschland.

In den letzten Monaten gab es einige Vorfälle, die unsere besondere Aufmerksamkeit erforderten. Einzelne Jugendliche schlossen sich zu Gruppen zusammen und begingen kriminelle Handlungen; es gab Vergewaltigungen und Erscheinungen des Rowdytums. Es gibt mehrere Fälle ernster Disziplinverstöße beim Lernen und in der Arbeit. Studenten, die zum Ernteeinsatz waren, veranstalteten Saufgelage im Stile des westdeutschen reaktionären Korpsstudententums. Die Arbeitsmoral während des Einsatzes war bei einigen Gruppen von Studenten schlecht. Hier zeigt sich wiederum der negative Einfluß von Westfernsehen und Westrundfunk auf Teile unserer Bevölkerung.

Wir stimmen jenen zu, die feststellen, daß die Ursachen für diese Erscheinungen der Unmoral und einer dem Sozialismus fremden Lebensweise auch in einigen Filmen, Fernsehsendungen, Theaterstücken, literarischen Arbeiten und in Zeitschriften bei uns zu sehen sind. Es häuften sich in letzter Zeit auch in Sendungen des Fernsehfunks, in Filmen und Zeitschriften antihumanistische Darstellungen. Brutalitäten werden geschildert, das menschliche Handeln auf sexuelle Triebhaftigkeit reduziert. Den Erscheinungen der amerikanischen Unmoral und Dekadenz wird nicht offen entgegengetreten. Das gilt besonders für den Bereich der heiteren Muse und der Unterhaltung, für einzelne literarische Arbeiten und leider auch für viele Sendungen im »DT64«. [ . . . ]

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