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Von 10 auf 12: Die Erweiterung der Europäischen Gemeinschaft durch Portugal und Spanien (7. Dezember 1984)

In seiner Erklärung vor dem Deutschen Bundestag betont Bundeskanzler Helmut Kohl das Interesse der Bundesregierung, die Beitrittsverhandlungen mit Spanien und Portugal termingerecht abzuschließen, um eine Mitgliedschaft zum 1. Januar 1986 möglich zu machen. Er erklärt, daß diese Mitgliedschaft zur Stärkung der Demokratie in den beiden südeuropäischen Staaten beitragen solle, doch stünden dem Beitritt noch Probleme der Agrarpolitik gegenüber. Wie so oft, kollidierten hier Gemeinschaftsinteressen mit nationalen Interessen.

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Erklärung von Bundeskanzler Kohl vor dem Deutschen Bundestag am 7. Dezember 1984


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Im Mittelpunkt des Europäischen Rates stand die Erweiterung der Gemeinschaft um Spanien und Portugal. Ich will hier noch einmal feststellen, daß wir hier im Deutschen Bundestag – auch in der letzten Legislaturperiode – immer wieder in völliger Einmütigkeit erklärt haben, daß es unser Wunsch ist, daß das von den Demokraten Europas gegebene Versprechen an die demokratischen Parteien und Kräfte in Spanien und Portugal, ihnen nach der Rückkehr aus einem autoritären oder von Diktatur beherrschten Regime in die freie Welt, möglichst rasch die Möglichkeit zu erschließen, in die Gemeinschaft einzutreten, eingelöst wird.

Wir waren uns alle bei diesem oft genug sehr hochherzig gegebenen Versprechen darüber im klaren, daß der Weg zum Beitritt von Spanien und Portugal mit großen Schwierigkeiten versehen sein würde. Trotz dieser Schwierigkeiten möchte ich hier noch einmal namens der Bundesregierung erklären, daß es unser erklärtes Ziel und unser erklärter Wunsch ist, daß das vorgegebene Datum des 1. Januar 1986 erreicht werden muß, erreicht werden kann.

Wie nicht anders zu erwarten, stehen natürlich in einem solchen Zusammenhang dann wirtschaftliche Interessen bei der Aushandlung der Vertragsunterlagen im Mittelpunkt der Diskussion. Ich möchte noch einmal gegenüber der deutschen Öffentlichkeit hier zum Ausdruck bringen: Ich glaube, es sind durchaus wohlverstandene Interessen, die die einzelnen Länder in diesem Zusammenhang vorbringen. Wer die Bedeutung beispielsweise des Fischfangs für unsere französischen und spanischen Nachbarn kennt, der weiß daß es nur zu natürlich ist, daß es bei der Auseinandersetzung über die künftige Entwicklung auf diesem wichtigen Sektor europäischer Wirtschaft zu Schwierigkeiten kommen muß.

Der entscheidende Punkt ist, ob man um des großen wichtigen Zieles wegen den guten Willen und die Bereitschaft aufbringt, Kompromisse zu schließen. Wir selbst haben auf diesem europäischen Gipfel in Dublin eine ernsthafte, manchmal etwas stürmische Diskussion über die Frage der Weinüberschüsse in der EG nach dem Beitritt von Spanien und Portugal gehabt. Auch dies ist eine Frage, die selbstverständlich für einen wichtigen Teil unserer Mitbürger von großem Interesse ist. Ich habe gelegentlich in diesen Tagen gehört: die streiten sich nur über Wein. Da möchte ich doch darauf hinweisen, daß die Existenz von vielen tausend Winzerfamilien zutiefst von dieser Entwicklung beeinflußt ist und daß es ganz selbstverständlich zur Aufgabe einer Regierung gehört, in Wahrung der berechtigten Eigeninteressen, aber auch eingebunden in die Verpflichtung, dem gemeinsamen Ziel zu dienen, Kompromisse herbeizuführen. Unser Ziel muß nach manchen bitteren Erfahrungen der europäischen Agrarpolitik sein, rechtzeitig konkrete Beschränkungen der kostspieligen Weinüberschüsse zu erreichen, bevor mit Spanien ein weiterer großer Weinproduzent der Gemeinschaft beitritt.

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