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Christian Wilhelm von Dohm, Über die bürgerliche Verbesserung der Juden (1781)

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Die Juden jedes Staats sind in demselben schon mehr eingebürgert, als Fremde erst nach geraumer Zeit werden können. Sie kennen kein andres Vaterland, als dasjenige, welches sie nun erhalten, und sehnen sich nicht nach einer fernen Heimath. Sie sind keine rohe und verwilderte Zigeuner, keine unwissende und ungesittete Flüchtlinge. Viele unter ihnen in jedem Staat besitzen doch einiges Vermögen, und noch mehrere, vorzügliche Geistesfähigkeiten und Geschicklichkeiten. Wenn es erlaubt ist, von dem grössern Theil einer Nation auf die eigenthümlichen Eigenschaften derselben zu schliessen, so läßt sich sicher nicht leugnen, daß die Juden vorzügliche Klugheit, Scharfsinn, Fleiß, Betriebsamkeit und die biegsame Fähigkeit, in alle Lagen sich zu versetzen, besitzen. Wenn die Juden in wichtigern öffentlichen Geschäften gebraucht worden, ist man fast immer mit ihrem Elfer und ihrem Verstande sehr zufrieden gewesen Ihr Glück im Handel und Fabriken ist bekannt, und sehr oft wird von denen, die es ihnen beneiden, ihrem Betruge zugeschrieben, was doch nur Folge ihrer grössern Aufmerksamkeit und Fleißes war. Wo den Juden die mechanischen Künste und Handwerker verstattet sind, liefern sie gewöhnlich sehr gute Arbeit. Die Drückung, in der sie bisher gelebt, ist Schuld, daß sie in den Wissenschaften und schönen Künsten nicht mehr gethan haben; an Fähigkeit dazu fehlt es ihnen sicher nicht. Die meisten, die sich mit denselben beschäftigt, haben es weit darin gebracht, wenn gleich das Publikum sie nicht, wie einen Moses Mendelssohn und Pinto, kennt. Unter ihren grössern Kaufteuten findet man vielleicht mehr übersehenden Blick und Geschicklichkeit der Combinationen, so wie unter den kleinern und überhaupt ihrem gemeinen Mann, mehr Klugheit und Betriebsamkeit, als unter einer gleichen Zahl Christen. Den moralische Charakter der Juden ist, so wie der aller Menschen, der vollkommensten Ausbildung und des unglücklichsten Verwilderung fähig, und der Einfluß der äussern Lage, wie ich schon bemerkt habe, hiebey nur zu sichtbar. Wenn man indeß zugiebt, daß die Juden in gewisser Absicht sittlich verderbt sind, so muß es doch auch dem unpartheyischen Beobachter einleuchten, daß sie durch manche andre Vorzüge sich desto vortheilhafter auszeichnen. Ich wage es, selbst die standhafte Anhänglichkeit an die ihren Vätern, von der Gottheit selbst verliehene Lehre, dem jüdischen Charakter als einen guten Zug anzurechnen, und ich hoffe hierin die Beystimmung eines Jeden zu erhalten, der nicht von allen andern Menschen verlangt, daß sie mit ihm in den Gesichtspunkt seiner Kindheit eintreten sollen, und der zu sehr an den Vorurtheilen seiner Erziehung klebt, um gegen eben dieselben bey Andern gerecht zu seyn Was dem Christen unwidersprechlich einleuchtend und deutlich scheint, ist für den Juden widersprechend und dunkel; was jener, dieses Blindheit und verstockte Hartnäckigkeit nennt, ist bey ihm standhafte Beharrlichkeit bey dem, was er einmal göttliches Gebot glaubt. Und können wir, wenn wir unpartheyisch richten wollen, ihn tadeln, daß er so lange der Wahrheit, wie er sie erkennt, getreu bleibt, bis ihm das Glück wird, sich von einer höhern überzeugen zu können, ein Glück, das nach der einstimmenden Lehre des Philosophen und des Christen, Niemand sich selbst wirken kann, daß vielmehr, wie dieser lehrt, nur nach einer höhern Leitung verthellet wird. Treue Befolgung der Grundsätze, die man für wahr hält, bestimmt den moralischen Werth eines Menschen, und wer kann es sich versagen, den Juden hochzuachten, den keine Martern bewegen können, zu essen, was er von Gott selbst sich verboten glaubt, und den Nichtswürdigen zu verachten, der nur um niedrigen Vortheils willen von dem ehrwürdigen Glauben seiner Jugend, seinen Verwandten und seinem Volk sich losreißt, und den heiligen Glauben der Christen dadurch entweiht, daß er sich zu ihm bekennt, ohne innere Ueberzeugung seiner göttlichen Wahrheit zu fühlen.

Schon allein diese Anhänglichkeit an den uralten Glauben ihrer Väter giebt dem Charakter der Juden eine Festigkeit, die auch zur Bildung ihrer Moralität überhaupt vortheilhaft ist. Die strenge Beobachtung vieler beschwerlichen Pflichten und Gebräuche nährt zwar von der einen Seite bey ihnen einen gewissen Geist der Kleinigkeiten, macht daß sie in die Beobachtung von Ceremonien zu viel Werth setzen etc. dagegen hält sie aber auch von vielen Vergehungen zurück, und bereitet sie zu genauerer Erfüllung ihrer Pflichten überhaupt vor.

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