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„Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren” (1810)

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§ 10. Schriften, welche das höchste Staatsoberhaupt und dessen Dynastie oder auch fremde Staatsverwaltungen angreifen, deren Tendenz dahin geht, Mißvergnügen und Unruhe zu verbreiten, das Band zwischen Unterthan und Fürsten locker zu machen, die christliche, und vorzüglich die katholische Religion zu untergraben, die Sittlichkeit zu verderben, den Aberglauben zu befördern, Bücher, welche den Socianismus, Deismus, Materialismus predigen, endlich Schmähschriften aller Art, sind so wenig geeignet, das Glück einzelner und das Wohl des Ganzen zu erhöhen, als sie selbes vielmehr vom Grunde aus zerstören, und können daher so wenig auf Nachsicht, als Meuchelmörder auf Duldung Anspruch machen; sie sind daher nach der Strenge der bisher bestehenden Vorschriften zu behandeln.

§ 11. Die gegebenen Grundsätze gelten nicht nur für gedruckte Schriften und Werke, sondern auch für Handschriften. [ . . . ]

§ 15. Von jetzt erhält der Censor nur folgende Formeln für gedruckte Werke: Admittitur, Transeat, Erga Schedam conced., Damnatur.

Admittitur ertheilt der Censor jener Schrift, welche öffentlich verkauft, und auch in den Zeitungen angekündigt werden darf; Transeat Schriften, welche nicht ganz zum allgemeinen Umlauf, aber auch nicht zu einer strengern Beschränkung geeignet sind. Sie können zwar öffentlich verkauft, aber nicht in den Zeitungen angekündigt werden. Erga Schedam conced. erhalten Schriften, in welchen die Anstößigkeiten das Gute und Gemeinnützige überwiegen, und welche ohne Gefahr nur Geschäftsmännern, und den Wissenschaften geweihten Menschen gegen Reserve von der Polizeihofstelle bewilligt werden können. Damnatur ist als der höchste Grad des Verbotes nur solchen Schriften vorbehalten, welche den Staat, die Religion oder die Sittlichkeit untergraben. Die Erlaubniß, solche Schriften zu lesen, ertheilt ebenfalls die Polizeihofstelle, und sie wird vierteljährig Seiner Majestät ein Verzeichniß der Personen, welchen der Art Bücher, und der Schriften, welche ihnen zugestanden wurden, vorlegen. [ . . . ]

§ 17. Die Formeln bei den Handschriften bleiben wie bisher. Nur tritt eine neue hinzu: Toleratur. Ein Manuscript, welches auf diese Art erledigt wird, kann zwar gedruckt und in den Katalogen angezeigt werden, aber nicht in den Zeitungen. Es gilt für solche inländische Schriften, welche zwar von einem gebildeten Publikum gelesen werden können, aber nicht geeignet sind, in die Hände ungebildeter Menschen zu kommen. Diese Erledigungsart ist auch anwendbar auf politische Schriften, von deren weitern Verbreitung die Staatsverwaltung keine Notiz nehmen will. [ . . . ]

§ 22. Die frühern Verordnungen, welche durch diese Vorschriften nicht abgeändert oder aufgehoben werden, bleiben in ihrer Wirksamkeit.



Quelle: Herrmann Th. Schletter, Handbuch der deutschen Preß-Gesetzgebung. Sammlung der gesetzlichen Bestimmungen über das literarische Eigenthum und die Presse in den deutschen Bundesstaaten. Leipzig: E. F. Steinacker, 1846, S. 168-71.

Abgedruckt in Walter Demel und Uwe Puschner, Hg., Von der Französischen Revolution bis zum Wiener Kongreß 1789-1815, Deutsche Geschichte in Quellen und Darstellung. Herausgegeben von Rainer A. Müller, Band 6. Stuttgart: P. Reclam, 1995, S. 264-70.

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