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„Vorschrift für die Leitung des Censurwesens und für das Benehmen der Censoren” (1810)

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§ 3. Die gelehrten Werke theilen sich wieder in zwei Klassen. In die erste gehören jene Schriften, welche durch neue Entdeckungen, durch eine bündige und lichtvolle Darstellung, durch die Aufstellung neuer Ansichten u. s. w. sich auszeichnen; in die zweite die saft- und marklosen Compilationen und Wiederholungen des hundertmal Gesagten u. d. g.

§ 4. Die Werke der ersten sollen mit der größten Nachsicht behandelt, und ohne äußerst wichtige Gründe nicht verboten werden. Ist ja eine Beschränkung derselben nöthig, so lasse man selbe nicht öffentlich ankündigen.

§ 5. Werke der zweiten Art verdienen keine Nachsicht, weil sie keinen Vortheil bringen, und ihr Inhalt aus bessern Quellen geschöpft werden kann. Sie sind daher nach den bestehenden Censur-Gesetzen zu behandeln.

§ 6. Broschüren, Jugend- und Volksschriften, Unterhaltungsbücher müssen nach der ganzen Strenge der bestehenden Censur-Gesetze behandelt werden. Hier muß nicht nur alles entfernt werden, was der Religion, der Sittlichkeit, der Achtung und Anhänglichkeit an das regierende Haus, die bestehende Regierungsform u. s. w. gerade zu, oder mehr gedeckt entgegen ist, sondern es sind auch alle Schriften der Art zu entfernen, welche weder auf den Verstand, noch auf das Herz vortheilhaft wirken, und deren einzige Tendenz es ist, die Sinnlichkeit zu wiegen. Es soll daher alles Ernstes getrachtet werden, der so nachtheiligen Romanenlektüre ein Ende zu machen. Dabei versteht es sich von selbst, daß hier jene wenigen guten Romane, welche zur Aufklärung des Verstandes und zur Veredlung des Herzens dienen, nicht gemeint sein können, wohl aber der endlose Wust von Romanen, welche einzig um Liebeleien als ihre ewige Axe sich drehen, oder die Einbildungskraft mit Hirngespinnsten erfüllen.

§ 7. Die Erzeugnisse des Witzes, die Producte der Dichter sind auf die Großzahl berechnet, und können nicht wohl von der Kathegorie der Volksschriften getrennt werden. Sind aber auch die klassischen Werke der Art nicht nach den in § 6. gegebenen Grundregeln zu behandeln, so können sie doch auch nicht mit der im § 4. angezeigten Nachsicht behandelt werden; um so weniger, als sie das wahre Wohl der Einzelnen oder des Ganzen zu befördern nicht geeignet sind, wohin doch die eigentliche Tendenz der § 4. bezeichneten Bücher geht.

§ 8. Werke, in denen die Staatsverwaltung im Ganzen, oder einzelnen Zweigen gewürdigt, Fehler und Mißgriffe aufgedeckt, Verbesserungen angedeutet, Mittel und Wege zur Erringung eines Vortheils angezeigt, vergangene Ereignisse aufgehellet werden, u. s. w. sollen ohne hinlänglichen Grund nicht verboten werden, wären auch die Grundsätze und Ansichten des Autors nicht jene der Staatsverwaltung. Nur müssen Schriften der Art mit Würde und Bescheidenheit, und mit Vermeidung aller eigentlichen und anzüglichen Personalitäten abgefaßt sein, auch sonst nichts gegen Religion, Sitten und Staatsverderbliches enthalten.

§ 9. Kein Werk ist von der Censur befreit, und das Revisionsamt, ist dafür verantwortlich, wenn eines ohne das Gutachten des bestimmten Censors den Buchhändlern hinausgegeben wird.

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