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Der Deutsche Camping-Club (1953)

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Mitte vorigen Jahres entstand der Campingplatz in Lindau. Er ist zur Zeit der Stolz der deutschen Campingfreunde. Bis zum September zählte man dort eine durchschnittliche «Belegung» von tausend Personen am Tag. Die Stadt München hofft, es mit ihrem Platz an der Isar, der zu Pfingsten eröffnet werden soll, an Komfort dem Lindauer gleichtun zu können. 90 000 Mark sind dafür veranschlagt. Eine Kommission hat das Gelände am Bodensee sondiert. Ein Büfett, eine Milchbar, modernste sanitäre Einrichtungen, Duschanlagen, Gasautomaten für Kochzwecke sind neben der Platzbewachung das mindeste, was man auch in München bieten möchte. An der Ostsee finden sich Zeltstände mit Mietzelten. Auch sonst tut sich allerlei in der deutschen Camping-Bewegung. Sportgeschäfte stellen auf Ruinengrundstücken der Großstädte ganze Ausrüstungen zur Schau. Ein Wanderprediger der Camping-Bewegung zieht durch Stadt und Land, und wo immer er seinen Film über einen Sommer mit Auto und Zelt vorführt, hat er ausverkaufte Häuser. Viele Gemeinden geben schon eigene Zeltbroschüren heraus. Ein dicker Führer «München–Neapel» enthält die auf der Route gelegenen schönsten Zeltplätze. Kurzum: wir stehen auch in Deutschland an der Wende zu einer neuen Ära des Fremdenverkehrs, die in anderen Ländern schon längst begonnen hat.

Die deutsche Industrie hat das Ziel klar erkannt. Sie erwartet in den nächsten Jahren eine stürmische Aufwärtsentwicklung, die die deutsche Camping-Bewegung zumindest auf den Stand anderer europäischer Länder bringen wird. Neben alten Firmen, die mit einem guten Schuß Idealismus eine jahrzehntelange Pionierarbeit auf diesem Gebiet geleistet haben und sich in den Frühzeiten oft erst einmal als lächerlich bezeichnen lassen mußten, treten neue auf den Plan. Das Ergebnis wird ein verschärfter Wettbewerb sein. Der Anblick einer der großen internationalen Zeltplätze zeigt dem Neuling, daß hier ein neuer Konsumbedarf im Entstehen ist. Zelte aller Aufmachungen und Farben, in manchmal abenteuerlichen Kombinationen, formen das Bild eines friedlichen Heerlagers des zwanzigsten Jahrhunderts. Vom kleinsten Einmannzelt bis zum dreiflügeligen Zelt für sechsköpfige Familien einschließlich Autogarage, batteriebetriebenem Kühlschrank und mehrflammigem Propangasherd, vom einfachen Zeltbahnzelt über die pyramiden- oder trapezförmige Zeltbehausung bis zur Lappenkote und dem Indianerwigwam reicht der Radius.

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Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 1. Februar 1953; abgedruckt in Christoph Kleßmann und Georg Wagner, Hg., Das gespaltene Land. Leben in Deutschland 1945-1990. Texte und Dokumente zur Sozialgeschichte. München: C.H. Beck, 1993, S. 335-36.

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