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Vorlage an das Sekretariat des Zentralrates der Freien Deutschen Jugend: Bandentätigkeit von Jugendlichen Berlin (4. Dezember 1959)

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Beispiele der Bandentätigkeit im Gebiet der DDR.

Das Material ist nicht vollständig. Es gibt bei den staatlichen Organen keine statistische Erfassung der Banden.

Am 27. November 1959 um 21.45 Uhr zogen in Dresden ca. 80 Jugendliche gröhlend durch die Straßen. Sie kamen aus dem Jugendklubhaus Martin-Andersen-Nexö. Sie schrien „wir wollen unseren Kaiser wiederhaben“; „wir wollen keinen Pieck und Grotewohl und Ulbricht, wir wollen Rock’n Roll“; „Fenster zu, es wird geschossen“. Einige der Jugendlichen sind wegen aktiver Beteiligung am faschistischen Putsch 1953 vorbestraft.

In Leipzig wurde Mitte des Jahres ebenfalls eine Bande zerschlagen, die mit den gleichen Losungen durch die Straßen zog.

In Erfurt krakeelten und johlten eine Menge Jugendlicher durch die Straßen. Sie belästigten Passanten, pöbelten Mädchen an und begingen mehrfach Vergewaltigungen. Sie schlugen Fensterscheiben und Schaufenster ein, kippten Litfaßsäulen um und zertrümmerten Blumenschalen.

Zentnerweise wurden bei ihnen Westschmöker sichergestellt.

Gegen 14 Jugendliche fand ein Prozeß statt.

Der Anführer dieser Bande war der 18-jährige, zweimal republikflüchtige Peter T [ . . . ].

In Magdeburg-Süd gab es eine Bande von Jugendlichen, die den Rock’n Roll König Presley „verherrlichte“.

Der Organisator und geistige Lenker war ein Mädchen aus Wiesbaden.

Auch in anderen Städten wie Gera, Pößneck, Saalfeld, Lobenstein, Erfurt, Jena, Greiz, Bitterfeld, Frankfurt/Oder, Mühlhausen, Leipzig, Berlin und Weimar gibt es derartige Gruppen von „Presley-Verehrern“. [ . . . ]



Welche Schlußfolgerungen ergeben sich:

1. Die Bandentätigkeit und Cliquenbildung in der DDR sind, neben den bereits bekannten Einflüssen durch Schund- und Schmutzliteratur und Rias* bzw. andere Westsender, der direkte und indirekte Einfluß von Personen, die aus Westdeutschland in die DDR zurückkehrten bzw. übersiedelten oder in Westberlin oder Westdeutschland ihren Wohnsitz haben.

2. Eine Reihe von Personen arbeiten im Auftrage westdeutscher und ausländischer Geheimdienste, besonders unter der Jugend, um Jugendliche zum Verlassen der DDR zu bewegen. Sie wurden zu diesem Zweck in die DDR eingeschleust.

3. Jugendliche werden, nach dem ihnen der Westen in verlockenden Farben geschildert und das natürliche Verlangen nach Abenteuern ausgenutzt wurde, zu Verbrechen gegen unseren Staat ausgenutzt. Da der Jugend mehr und mehr in der DDR die tatsächlichen politischen und wirtschaftlichen Verhältnisse in Westdeutschland bekannt werden, wird ihnen vorgegaukelt, als politischer Flüchtling stünden ihnen alle Wege offen. Politischer Flüchtling kann aber nur der sein, der ein politisches „Ding“ „gedreht“ hat.

Der Gegner stützt sich dabei in der Hauptsache auf Jugendliche bis 20, 21 Jahre, die geistig und politisch zurückgeblieben und arbeitsscheu sind oder keine geordneten Familienverhältnisse haben.

4. Personen, besonders Jugendliche, die in die DDR übersiedeln, verbreiten die ihnen im Adenauerstaat anerzogenen Lebensgewohnheiten und finden bei einem Teil der Jugend in der DDR damit Anklang und Unterstützung. Sie können ihren Einfluß besonders auch deshalb ausüben, weil unsere Organisation und andere gesellschaftliche Kräfte die übergesiedelten Personen mangelhaft an das neue Leben in unserem sozialistischen Staat heranführen. Das ist wiederum ein Grund dafür, daß ein relativ großer Teil die DDR wieder verläßt oder straffällig wird. [ . . . ]



* RIAS: Rundfunk im Amerikanischen Sektor

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