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Bericht über die Zulassung an den Universitäten und Hochschulen für das Studienjahr 1957/58 durch das Büro des Präsidiums der DDR-Regierung (21. Dezember 1957)

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Das praktische Jahr setzt voraus, dass die Angehörigen der Intelligenz ihre Aufgaben bei dem Aufbau des Sozialismus nur im engen Bündnis mit der Arbeiterklasse und der werktätigen Bauernschaft erfüllen können. Deshalb soll die akademische Jugend erst die Schule der Produktion durchlaufen, ein praktisches Jahr in sozialistischen Produktionsbetrieben ableisten, bevor sie ihr Studium an den Universitäten und Hochschulen aufnimmt.

Bei der diesjährigen Zulassung haben die Universitäten und Hochschulen zum ersten Male die für das praktische Jahr vorgesehenen Studienbewerber ausgewählt, sie für das Studienjahr 1958/59 vorgemerkt. Die 3.500 vorgemerkten Studienbewerber werden im kommenden Jahr mit ihrem Studium an den Universitäten und Hochschulen beginnen, sofern sie während des praktischen Jahres durch gute Arbeitsdisziplin und gesellschaftliche Stellung beweisen, dass sie würdig sind, das Studium in unserem Arbeiter-und-Bauern-Staat aufzunehmen.

Mit dieser Massnahme, die den künftigen Studenten stärker mit der Arbeiterklasse verbindet und zu hohem Verantwortungsbewusstsein gegenüber dem Arbeiter-und-Bauern-Staat erziehen soll, werden auch die Beziehungen zwischen den Hochschulen und den sozialistischen Betrieben enger gestaltet. [ . . . ]

Die Arbeit der Prorektorate für Studienangelegenheiten und des Staatssekretariats für Hochschulwesen

Die Überprüfung der Arbeit der Prorektorate ergab, dass die Zulassungsarbeiten von den Prorektoraten gründlich, zielbewusst und mit politischem Verständnis durchgeführt wurden. Die Vorschläge wurden vorher mit den zuständigen Partei- und FDJ-Leitungen durchgesprochen. Die Hochschulparteileitung beschäftigte sich überall mit der Vorbereitung der Zulassungsarbeit.

Vor allem hat sich die Zusammenarbeit der Prorektorate für Studienangelegenheiten mit den Oberschulen wesentlich verbessert. Die Teilnahme von Vertretern der Oberschulen und der demokratischen Öffentlichkeit an den Sitzungen der Zulassungskommissionen ist bedeutend gestiegen. Beigetragen zu dieser besseren Zusammenarbeit mit den Oberschulen hat vor allem das Beispiel der Karl-Marx-Universität Leipzig. Danach wurden an jeder Oberschule Verbindungslehrer benannt, die von der Universität angeleitet wurden, um die Studienlenkung an den Oberschulen zu unterstützen, die Vorschläge der Oberschulen für die Entscheidung der Zulassungskommissionen in Elternversammlungen zu diskutieren und an der Erläuterung des praktischen Jahres teilzunehmen.

Der verantwortungsbewussten Tätigkeit der Prorektorate ist es gelungen,

1. die nach der Gesamteinschätzung besten Bewerber auszusuchen, die durchweg der FDJ angehören und in ihr oder der GST Funktionen ausgeübt haben,

2. Bewerber mit guten und sehr guten Kenntnissen zuzulassen, die den fachlichen Anforderungen genügen,

3. einen hohen Anteil von Arbeiter- und Bauernkindern bei den Zulassungen zu sichern.

Nachteilig wirkt sich der geringe Anteil von Mitgliedern und Kandidaten der SED unter den Zugelassenen aus. Dieser Umstand ist darauf zurückzuführen, dass die Mehrzahl der Abiturienten unmittelbar von den Oberschulen kommt und noch sehr jung ist. Aber auch aus den Betrieben kommen sehr wenige Studenten, die Mitglied der Partei sind.

Erschwerend für die Arbeit der Prorektorate und die richtige Auswahl der Bewerber durch die Zulassungskommissionen wirkt sich immer noch der Umstand aus, dass die Beurteilungen der Oberschulen zum grössten Teil sehr formal gehalten sind. Sie enthalten im Allgemeinen eine Aufstellung von Funktionen und eine Reihe von Nebensächlichkeiten, die bereits aus dem Fragebogen ersichtlich sind, aber fast immer fehlen:

1. eine Einschätzung des politischen Einflusses des Elternhauses und dessen Rolle im gesellschaftlichen Leben,

2. eine Einschätzung des politischen Verhaltens des Bewerbers selbst,

3. eine Einschätzung der Beziehungen zu Westdeutschland, republikflüchtige Eltern, Geschwister in Westdeutschland usw.

4. Hinweise über religiöse Bindungen, evtl. aktive Mitarbeit in der ‚Jungen Gemeinde’,

5. Hinweise für die Hochschule über solche Bewerber, die bei weiterer politischer Arbeit in kürzerer Zeit Kandidaten der SED werden könnten.

Die gleichen Feststellungen gelten auch für die Beurteilungen, die aus den Betrieben kommen, ganz besonders aber für wissenschaftliche Institutionen oder Einrichtungen des Gesundheitswesens. In den letzteren Fällen liegt meistens lediglich eine Beurteilung über die fachliche Eignung des Bewerbers durch den fachlichen Leiter vor, die evtl. noch vom Kaderleiter und BGL-Vorsitzenden unterschrieben ist. [ . . . ]

Pätsch



Quelle: BArch, DR 2/5650; abgedruckt in Dierk Hoffmann und Michael Schwartz, Hg., Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 8: 1949-1961: Deutsche Demokratische Republik. Im Zeichen des Aufbaus des Sozialismus. Baden-Baden: Nomos, 2004, Nr. 8/176.

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