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Beratung des Antrags der Abgeordneten August Schwingenstein (CSU) und Genossen im Bayerischen Landtag betr. Schutz der Jugend vor sittenloser Beeinflussung (1948)

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Frau Dr. Probst bezeichnet im Einklang mit den Ausführungen des Antragstellers das Problem der Zersetzung der Familien als das grundlegende Problem überhaupt. Damit ist der ganze Staat gefährdet. An dieser Zersetzung ist aber nicht nur das Wohnungsproblem und die Not als Erbe der Hitlerzeit schuld. Die gesetzlichen Bestimmungen sind zum Teil ungenügend, so insbesondere auf dem Gebiete der Stellung der alleinstehenden Mutter. Die Rednerin detailliert hier und erinnert an ihre früheren einschlägigen Ausführungen im Landtag. Sie beschäftigt sich sodann mit den Verhältnissen in der Ostzone und verweist auf einen Erlaß, wonach die „Freundin“, die „Kameradin“ in der Sozialversicherung der Ehefrau gleichgestellt wird. Theaterstücke werden dort abgesetzt mit der Begründung, daß die Familie darin zu stark verherrlicht wird. Hier ist Wachsamkeit am Platze, damit die Familie nicht eine weitere Zersetzung erfährt.

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Im Anschluß an die Ausführungen des Abgeordneten Dr. Rief verbreitet sich der Redner ausführlich über die Wohnverhältnisse in München und seine Erfahrungen und Bemühungen als Bürgermeister dieser Stadt. Er erwähnt unter anderem, daß es 15 000 Einzelwohnräume in München gibt, wo seit Jahr und Tag 6 und mehr Personen Tag und Nacht bei einander hausen. „Wohnen“ kann man nicht mehr sagen. Einem Menschen, der in einer zerschlagenen Stadt keine Selbstzucht kennt und kein Verantwortungsgefühl besitzt auf Grund der jeweils gegebenen Verhältnisse, dem kann der Staat trotz aller Bemühungen einfach nicht helfen. Der Redner bezweifelt, ob er es erleben wird, daß diese furchtbaren Zustände noch eine entscheidende Änderung erfahren. Er will nicht den Stab brechen über eine wurzellos gewordene Jugend, die nicht so total verdorben ist, daß sie nicht mehr besserungsfähig wäre. Es ist nur notwendig, die Einrichtungen zu schaffen, die ihr die Möglichkeit bieten, einen kleinen Ersatz für Heimat und Elternhaus zu finden. Die Schulverhältnisse sind furchtbar, ebenso die Krankenhausverhältnisse und alles Übrige.

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Quelle: Stenografische Berichte des Landtages. 1. Wahlperiode 1946-1950. Drucksachen. 54. Sitzung des Ausschusses für den Staatshaushalt am 11. März 1948: TOP 8 (Beilage 639), S. 50-62; abgedruckt in Udo Wengst und Hans Günther Hockerts, Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland, Bd. 2/2: 1945-1949: Die Zeit der Besatzungszonen. Sozialpolitik zwischen Kriegsende und der Gründung zweier deutscher Staaten. Dokumente. Baden-Baden: Nomos, 2001, S. 448-49.

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