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Anita Grandke, „Zerstört die berufstätige Frau ihre Familie?” (11. Juni 1960)

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Auf das höchste Ziel gerichtet

Zwei Leserinnen schreiben in ihren Briefen, die Unterbringung der Kinder im Kindergarten usw. entwickele die Kinder zu Serienmenschen, führe zur Vermassung und dadurch zur Zerstörung der Familie. Diese beiden Leserinnen haben unbewußt eine Meinung aufgegriffen, die unsere Gegner seit Jahrzehnten strapazieren.

Sehen Sie, liebe Leserinnen: Die Gegner des Sozialismus kennen sehr wohl die große Rolle der Familie bei der Erziehung der Kinder zu sozialistischen Menschen, vor allem jener Familien, deren beide Ehepartner arbeiten. Und so möchten sie einen Keil zwischen diese kleine persönliche Gemeinschaft und die sozialistische Gesellschaft treiben. Dabei knüpfen sie wiederum an die Berufsarbeit der Ehefrau und Mutter an.

Gefahren der Zerstörung drohen unseren Familien ausschließlich von einer Seite, nämlich vom aggressiven deutschen Militarismus, der diese Gemeinschaften bereits zweimal millionenfach zerstört hat. Gefahren der Vermassung drohen den Kindern, der Jugend vom preußischen Militärdrill, von der Verrohung durch Comics, Gangsterfilme usw., durch die Vorbereitung der Jugend auf den Krieg. Jawohl, täglich wird auch in den kapitalistischen Staaten die Jugend durch die Gesellschaft erzogen, aber für welche Ziele!

Wir sprechen offen von der Erziehung der Kinder durch die Gesellschaft; wir sichern sie materiell und richten sie auf das höchste humanistische Ziel: auf die Erziehung des sozialistischen Menschen. Das ist ein Mensch mit großem fachlichem Wissen, umfangreicher Allgemeinbildung, der sich seinen Neigungen und Fähigkeiten entsprechend entwickelt und dessen Handeln durch seine Achtung vor den Menschen und sein Verantwortungsgefühl gegenüber der Gemeinschaft bestimmt wird.

Sinnvolle Ergänzung

Stellen wir uns nun aber ehrlich eine Frage: Kann die Mutter – von der Schule abgesehen – dieses Ziel allein ohne weitere Gemeinschaftserziehung erreichen? Sie kann es meines Erachtens auch beim besten Willen nicht. Wieviel Zeit verbringt sie beim Einkaufen, Kochen, Abwaschen, Saubermachen? Wie unterschiedlich sind die Aufnahmefähigkeit, die Spiel- und Lernmethoden bei Geschwistern wegen des verschiedenen Alters. Oder wie schwer ist es bereits heute für viele Eltern, die Hausaufgaben der Kinder ernsthaft zu verfolgen?

Auch die materiellen Voraussetzungen für die Entfaltung der Fähigkeiten der Kinder sind in den meisten Familien nicht gegeben. Man denke nur an die vielen Fachkräfte, an die Sportgeräte, Musikinstrumente usw., die zum Beispiel den Jungen Pionieren zur Verfügung stehen, die durch die Gemeinschaft erst richtig ausgenutzt und von jedem Kind in Anspruch genommen werden können. In der bürgerlichen Gesellschaft ist es noch heute Privileg der Bourgeoissöhne und -töchter, sich zu bilden, während gleichzeitig Tausende von Talenten aus Mangel an Geld verkümmern. Wir sollten als Mütter glücklich sein über die unbegrenzten Entwicklungsmöglichkeiten unserer Kinder und uns nicht irremachen lassen. Ein Mensch, der sich alle Kunst und Wissenschaft, alle geistigen Werte der Menschheit zu eigen macht und seine eigenen Fähigkeiten entwickeln kann, wird sich nicht zu einem Serienmenschen, sondern zu einer geachteten Persönlichkeit entwickeln.

Es geht bei uns überhaupt nicht darum, die Erziehung in der Familie durch die gesellschaftliche Erziehung zu ersetzen oder zu verdrängen. Unsere Kinder brauchen beides. Sie entwickeln sich in dem Maße, wie die gesellschaftliche Erziehung und Familienerziehung bewußt und mit gleichem Ziel zusammenwirken, wobei ihnen die Eltern vor allem Vorbild und Vertraute sind.

Und sollte, wie einige Leserinnen meinen, die Familienerziehung hier und da noch zu kurz kommen, und bemerken wir, daß in unseren Kinderheimen noch nicht immer alles zum besten steht, dann entspricht das dem augenblicklichen Entwicklungsstand, den wir schnell überwinden müssen. Das können wir unter anderem gerade dadurch, daß immer mehr Ehefrauen ihre Fähigkeiten für die Gesellschaft einsetzen. Durch unserer Hände Arbeit können die Kinder besser betreut werden, wird unser Leben verschönt und erleichtert, werden wir in Zukunft noch mehr freie Zeit gewinnen, die wir auch unseren Kindern widmen.



Quelle: Anita Grandke, „Zerstört die berufstätige Frau ihre Familie?“, Neues Deutschland, 11. Juni 1960, Beilage „Für die Frau“; abgedruckt in Dierk Hoffmann und Michael Schwartz, Hg., Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland seit 1945, Bd. 8: 1949-1961: Deutsche Demokratische Republik. Im Zeichen des Aufbaus des Sozialismus. Baden-Baden: Nomos, 2004, Nr. 8/212.

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