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Stellungnahme der Eherechtskommission der Evangelischen Kirche in Deutschland zu dem Entwurf eines Familienrechtsgesetzes (Dezember 1952)

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II. Gleichberechtigung und Grundgesetz
Die Auslegung des Begriffes Gleichberechtigung im Sinne von Art. 3, Abs. 2 GG erweist sich in solchem Zusammenhang als schwierig. Dieser Artikel kann nach unserer Auffassung von Ehe und Familie nicht beliebig und unbegrenzt im formalen Wortsinne interpretiert werden. Er kann vielmehr nur auf Grund eines vorgegebenen Verständnisses von Ehe und Familie angewandt werden. Nicht alles formal Mögliche, was überhaupt etwa mit Gleichberechtigung bezeichnet werden könnte, kann danach Sinn des Art. 3, 2 GG sein, sondern nur das, was unter Voraussetzung des Wesens von Ehe und Familie innerhalb dieser Institution als Gleichberechtigung möglich und sinnvoll ist. Das Wesen von Ehe und Familie bildet also den Interpretationshorizont der Gleichberechtigung nach Art. 3 Abs. 2 GG. Der Verfassungsgesetzgeber wollte lediglich bestimmte Rechtsfolgen der Ehe, bei denen dies ohne Gefährdung der Institution Ehe möglich erscheint, nach dem Grundsatz der Gleichberechtigung regeln.

III. Hauptpunkte der Reform
Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen sind von unterschiedlicher Tragweite. In den Beratungen der Kommission wie in der öffentlichen Erörterung der gleichen Fragen haben zwei untereinander zusammenhängende Fragen im Vordergrund gestanden: Das Entscheidungsrecht des Ehemannes (§ 1354 BGB) und dasjenige des Vaters (§§ 1627 ff, 1634).

A. (§ 1354): Diese Bestimmung hat schon in den Entwürfen eine wesentliche Wandlung durchgemacht, welche die Schwierigkeiten des Gegenstandes deutlich zeigt. Die Denkschrift Hagemeyer formulierte als § b: »In allen das gemeinschaftliche Leben betreffenden Angelegenheiten entscheiden die Ehegatten gemeinsam.« Der Regierungsentwurf schlug folgende Fassung vor: (1354) »Die Ehegatten haben alle Angelegenheiten, die Ehe und Familie betreffen, im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln. Jeder Ehegatte hat auf den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des anderen Rücksicht zu nehmen. Bei Meinungsverschiedenheiten müssen die Ehegatten versuchen, zu einer Einigung zu gelangen. Ist dies nicht möglich, so ist der Mann berechtigt und verpflichtet, unter Berücksichtigung der Auffassung der Frau die Entscheidung zu treffen. Eine Entscheidung, die dem wohlverstandenen Interesse der Ehegatten nicht entspricht, ist für die Frau nicht verbindlich.«

Der Bundesrat hat schließlich folgende Fassung gewählt: »Die Ehegatten haben alle Angelegenheiten, die Ehe und Familie betreffen, in gegenseitigem Einvernehmen zu regeln. Jeder Ehegatte hat auf den wirklichen oder mutmaßlichen Willen des anderen Rücksicht zu nehmen.«

Damit ist eine Fehllösung des Problems ausgeschieden, welche bis dahin vielfach erörtert wurde.

Einer generellen Verlagerung der Entscheidung im Konfliktfall auf eine außerhalb der Ehe stehende dritte Instanz müßte nämlich entschieden widersprochen werden. Die rechtliche Beteiligung Dritter ist in allen Fällen, in denen sie nicht unumgänglich geboten ist (s. u.), für die Ehe gefährlich und ihrem Wesen fremd. Es erscheint unerträglich, prinzipiell den Staat über den Vormundschaftsrichter zum Ehepartner zu machen. Auch würde die Mehrzahl der Streitfälle nicht judiziabel und die getroffene Entscheidung nicht vollstreckbar sein. Nicht-gerichtliche dritte Instanzen (»Ehehilfe« verschiedener Art) können bei guter personaler Besetzung in mancher Hinsicht hilfreich sein, aber nur dann, wenn sie nur die Befugnis der Beratung haben.

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