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Ein Skeptiker betrachtet die Hexenverfolgung eingehender – Friedrich von Spee (1631)

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8. Andernfalls, wenn sie noch immer zögern und sich fürchten, sich an etwas so Gefährliches heranzumachen, dann wird ein besonders damit beauftragter Inquisitor geschickt. Bringt der nun etwas Unerfahrenheit und ungestümes Wesen mit, wie das eben menschlich ist, so gewinnen diese Dinge hier ein anderes Aussehen, einen anderen Namen und sind nichts als Rechtlichkeit und frommer Eifer. Diesen Eigenschaften ist dann die Aussicht auf Gewinn durchaus nicht abträglich, namentlich, wenn der Inquisitor ein ärmlicher, habgieriger Mann mit vielen Kindern ist und für den Kopf jedes einzelnen zum Feuertode Verurteilten eine Belohnung von etlichen Talern ausgesetzt ist; abgesehen von den gelegentlichen Sammlungen und Zuschüssen, die die Inquisitoren, wie oben geschildert, unbeschränkt von den Bauern fordern dürfen.

9. Belastet dann irgendein Wort eines Besessenen oder eine der heute im Schwange gehenden böswilligen, nicht nachprüfbaren Redereien (ein rechtmäßig bewiesenes Gerücht ist es ja niemals) eine armselige, mißachtete Gaja ernstlich: So ist sie die erste.

10. Damit es jedoch nicht den Anschein hat, als ob der Prozeß nur auf dieses Gerücht hin, ohne weitere Indizien, wie man sagt, angestrengt worden wäre, siehe, da ist gleich ein Indiz zur Hand, da man der Gaja aus allem einen Strick dreht. Ihr Lebenswandel war ja entweder schlecht und sündhaft oder gut und rechtschaffen. War er schlecht, so sagt man, das sei ein starkes Indiz, denn von einer Schlechtigkeit darf man getrost auf die andere schließen. War ihr Lebenswandel indessen gut, so ist auch das kein geringes Indiz: Denn auf diese Weise, sagt man, pflegen die Hexen sich zu verstecken und wollen besonders tugendhaft erscheinen.

11. Es wird also angeordnet, Gaja ins Gefängnis zu schleppen, und seht, da hat man abermals ein neues Indiz, da man ihr ja aus allem einen Strick zu drehen weiß. Denn sie zeigt dann entweder Furcht oder sie tut es nicht. Zeigt sie Furcht (weil sie davon gehört hat, was für entsetzliche Folterqualen man in der Regel im Verfahren wegen Hexerei zur Anwendung bringt), so ist das alsbald ein Indiz, denn man sagt, sie habe ein schlechtes Gewissen. Zeigt sie keine Furcht (weil sie nämlich auf ihre Unschuld vertraut), so ist auch das sogleich ein Indiz: Denn das, sagt man, sei überhaupt eine besondere Eigentümlichkeit der Hexen, daß sie sich ganz unschuldig stellen und den Kopf nicht sinken lassen.

12. Damit man aber immer noch mehr Indizien gegen sie habe, hat der Inquisitor seine Leute an der Hand, oft verworfene, übel beleumdete Burschen, die Gajas ganzes bisheriges Leben durchforschen müssen. Da kann es ja gar nicht ausbleiben, daß man auf irgendein Wort oder eine Tat stößt, die eine abwegige, böswillige Auslegung mit Leichtigkeit zu einem Schuldbeweis der Magie verdrehen und wenden könnte.

13. Gibt es dann aber auch noch Leute, die ihr schon längst übel gesinnt waren, so haben die die schönste Gelegenheit, ihr Schaden zuzufügen; weil sie es gerne möchten, finden sie leicht etwas, was sie vorbringen können. Und an allen Enden zetert man, Gaja sei durch starke Indizien belastet.

14. Daraufhin wird sie schleunigst zur Folter geschleppt, sofern sie nicht, wie es häufig geschieht, noch am gleichen Tage, an dem sie gefangen wurde, gefoltert worden ist.

15. Es wird nämlich niemandem ein Advokat und eine unbeschränkte Verteidigung bewilligt, da man schreit, es sei ein Sonderverbrechen, und da jeder, der die Verteidigung übernehmen, als Rechtsbeistand auftreten wollte, selbst des Verbrechens verdächtigt wird. Gerade so geht es ja auch jedermann, der zu diesen Prozessen etwas sagen und die Richter zur Vorsicht mahnen will, denn sogleich heißt man ihn Beschützer der Hexen. So ist allen der Mund verschlossen und die Feder stumpf gemacht, auf daß sie nichts reden oder schreiben mögen.

16. Meistens jedoch, damit es nicht so aussieht, als ob Gajas Verteidigung nicht wenigstens irgendwie zugelassen worden wäre, wird sie vorerst zum Schein vor Gericht geführt; es werden ihr zunächst die Indizien vorgelesen, und sie wird darüber verhört, sofern man das allerdings ein Verhör nennen kann.

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