GHDI logo

Die Lage der Jugendlichen in Aachen (1947)

Seite 2 von 2    Druckfassung    zurück zur Liste vorheriges Dokument      nächstes Dokument


Die Kriminalität der Jugend hat nach dem Zusammenbruch eine erschreckende Zunahme erfahren, deren Ursachen in dem Mangel an Lebensmitteln, an Verbrauchsgütern, Kleidung und Schuhen, an Heizmaterial, und der seelischen Verwahrlosung der Jugend durch das Naziregime zu suchen sind.

Im letzten Jahre vor der Räumung Aachens wurden Jugendliche wegen krimineller Handlungen zur Anzeige gebracht im:

August

1943

6

Januar

1944

6

September

1943

5

Februar

1944

11

Oktober

1943

2

März

1944

10

November

1943

2

April

1944

Dezember

1943

18

Mai

1944

1

 

 

 

Juni

1944

1

 

 

 

Juli

1944

1

Die zahlenmäßige Entwicklung der Jugendkriminalität zeigt von Januar 1946 ab folgendes Bild:

Januar

1946

10

Januar

1947

42

Februar

1946

13

Februar

1947

27

März

1946

33

März

1947

32

April

1946

35

April

1947

70

Mai

1946

56

 

 

 

Juni

1946

23

 

 

 

Juli

1946

46

 

 

 

August

1946

50

 

 

 

September

1946

77

 

 

 

Oktober

1946

60

 

 

 

November

1946

62

 

 

 

Dezember

1946

54

 

 

 

Besonders erheblich ist die Zahl der Eigentumsdelikte vom einfachen Felddiebstahl bis zum mehrfachen Raub. Gleichzeitig ist eine Zunahme des Schwarzhandels zu verzeichnen, da sich Jugendliche mühelos auf diese Weise in den Besitz von Geldmitteln setzen wollen.

Bezeichnend für die Not der Zeit und die dadurch bedingte Verwahrlosung ist die Tatsache, daß sich sogar die schulpflichtige Jugend mit Schwarzhandelsgeschäften befaßt.

Die Zahl der männlichen Rechtsbrecher überschreitet erheblich die der weiblichen. Die Ursache dürfte darin zu finden sein, daß die weibliche Jugend sich den Besitz der Lebens- und Genußmittel und Verbrauchsmittel durch ihre körperliche Hingabe erkauft. Dadurch ist naturgemäß die weibliche Jugend in weitaus erheblicherem Umfange sittlich gefährdet. Eine erschreckende Zunahme der Geschlechtskrankheiten und der unehelichen Geburten ist die Folge. Durch die Not der Zeit sind die Moralbegriffe in weiten Kreisen der Jugend so gesunken, daß es nahezu als eine Selbstverständlichkeit betrachtet wird, wenn ein Mädchen sich »einen Ausländer« anschafft, um in den Genuß begehrter Nahrungsmittel oder Verbrauchsgüter zu gelangen.



Quelle: Sozialbericht der Stadt Aachen über die Lage der Jugendlichen 1947. HSTA/Bestand NW 43/457; abgedruckt in Klaus-Joerg Ruhl, Frauen in der Nachkriegszeit 1945-63. München: Deutscher Taschenbuch Verlag, 1988, S. 31-33.

erste Seite < vorherige Seite   |   nächste Seite > letzte Seite