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Wohnungsbauprogramm der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands für die westlichen Besatzungszonen (Mai/Juni 1949)

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10. Investitionsplanung und Kreditlenkung

Die bisherigen Überlegungen haben die Notwendigkeit der Investitionsplanung und Kreditlenkung gezeigt. Sie haben des weiteren gezeigt, daß eine angemessene Beteiligung des Wohnungsbaues am gesamten Investitionsvolumen möglich und notwendig ist. Wer sorgt nun dafür, daß der Wohnungsbau seinen Anteil bekommt? Die orthodoxe Lehre würde sagen, das müsse der Zinsfuß, d.h. die Rentabilität der verschiedenen Investitionsvorhaben entscheiden. Hierzu wäre erstens erforderlich, daß der Wohnungsbau auf gleichem Fuße mit den anderen Investitionsarten um die Mittel konkurrieren könnte. Diese Voraussetzung ist ganz offensichtlich gegenwärtig nicht gegeben. Zweitens wäre hierzu erforderlich, daß bei den hauptsächlichen Bewerbern um Investitionskredite die Preisbildung marktwirtschaftlich erfolgt. Auch das ist nicht der Fall. Sowohl im Kohlenbergbau wie auch im Verkehrswesen und in der Energiewirtschaft sind die Preise gebunden, von der öffentlichen Hand festgesetzt und kontrolliert. Dasselbe trifft heute für den Wohnungsbau zu. Die dringende Nachfrage nach Wohnungen tritt heute in den Wohnungsmieten in keiner Weise in Erscheinung und könnte dies selbst bei Freigabe der Mieten auch solange nicht, als die Zwangswirtschaft der Wohnungsämter weiter fortbesteht. Die logische Folge ist daher, daß der Staat selbst entscheiden muß, wieviel er von den volkswirtschaftlich möglichen Krediten an die hauptsächlichen Träger der Investition, insbesondere auch an den Wohnungsbau, geben will. Hierbei wird der Staat sich nach allgemeinen volkswirtschaftlichen, aber auch sozialpolitischen Erwägungen richten müssen. Weiterhin wird der Staat bei diesen Investitionsentscheidungen auch die Verfügbarkeit über Arbeitskräfte und Baumaterial als Anhaltspunkte zu berücksichtigen haben. Der Aufbau kann jedenfalls nicht einfach der Automatik der freien Wirtschaft überlassen bleiben, da selbst bei Wiederherstellung einer völlig freien Wirtschaft unter der Herrschaft des Rentabilitätsprinzips kein sozialer Wohnungsbau zustande kommen würde. Das enthebt uns gewiß nicht der Notwendigkeit, gerade auch im Wohnungsbau scharf zu rechnen, es soll uns aber vor Illusionen bei der Kapitalbeschaffung bewahren.

Wir fordern daher eine großangelegte Investitionsplanung, damit auch der soziale Wohnungsbau zu seinem Recht kommt. Wir schließen uns im Übrigen dem vom wissenschaftlichen Beirat bei der Verwaltung für Wirtschaft ausgearbeiteten Gutachten zur Kreditlenkung und Investitionskontrolle an.

Es heißt dort u.a.:

„Die ständige Abstimmung der Investitionspolitik auf allen Gebieten des Wirtschafts- und Soziallebens ist unerläßlich. Dafür muß eine übergeordnete, zentrale Stelle zuständig sein, deren Anordnungen für alle an der Durchführung beteiligten Verwaltungen verbindlich sind.“

Eine alsbald zu errichtende Verwaltung für Aufbau muß die Aufgaben der Wohnungswirtschaft bei der allgemeinen Wirtschafts- und insbesondere bei der Investitionsplanung für Westdeutschland vertreten und im Benehmen mit den Ländern die allgemeinen Richtlinien für die Durchführung eines Wohnungsbauprogrammes aufstellen.

Die Grundzüge der Investitionsplanung und Kreditlenkung müssen in aller Öffentlichkeit zur Diskussion gestellt werden. Ihre Festlegung durch Gesetz ist dringend erforderlich, um sie mit der nötigen Autorität zu versehen. Wenn wir eine soziale Demokratie schaffen wollen, muß das Volk durch seine gewählten Vertreter die Möglichkeit haben, bei der Festlegung der großen Linien der Wirtschaftspolitik einen entscheidenden Einfluß ausüben.

11. Das ist Sozialismus

Die vorstehenden Untersuchungen zeigen, daß die Durchführung eines sozialen Wohnungsbauprogrammes sowohl materialmäßig wie finanziell bei dem gegenwärtigen Stand unserer Volkswirtschaft durchaus möglich ist. Ein Programm von ¾ bis 1 Million Wohnungen für die nächsten vier Jahre kann allerdings nur als Anfangsplan zur Beseitigung der Wohnungsnot angesehen werden. Bei zielbewußten Anstrengungen muß es gelingen, nach dem Ingangkommen des Wohnungsbaues und nach Übergang zu modernen Bauweisen in absehbarer Zeit die Wohnungsproduktion erheblich über das für die ersten Jahre veranschlagte Maß hinaus zu steigern. Diese Leistung ist allerdings nur von einer Regierung zu erwarten, die nicht nach privatkapitalistischen Gewinngesichtspunkten, sondern nach der volkswirtschaftlichen Dringlichkeit fragt. Für den Sozialisten ist der Mensch das wertvollste Gut unserer Volkswirtschaft. Ihm müssen alle Möglichkeiten unserer Volkswirtschaft dienen. Eine der vordringlichsten Aufgaben, um überhaupt ein menschenwürdiges Dasein wieder zu ermöglichen, ist der soziale Wohnungsbau. Die volkswirtschaftlich gegebenen Möglichkeiten in die Tat umzusetzen, ist Sache des politischen Willens. Der sozialdemokratische „Plan A“ zeigt den Weg.



Quelle: AdsD, Bestand Bibliothek, Broschüre „Plan A. Aufgabe Nr.1 Wohnungen bauen!“ [Wohnungsbauprogramm der SPD für die Trizone, herausgegeben vom SPD-Parteivorstand (Hannover 1949)]; abgedruckt in Udo Wengst, Geschichte der Sozialpolitik in Deutschland, Bd. 2/2: 1945-1949: Die Zeit der Besatzungszonen. Sozialpolitik zwischen Kriegsende und der Gründung zweier deutscher Staaten. Baden-Baden: Nomos, 2001, S. 578-83.

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